Kindersorge: Die Angst vor der ersten Beichte
Autor: Susanne Will
Bad Kissingen, Donnerstag, 05. April 2018
Vor der Erstkommunion steht die Beichte. Und die macht einigen Kindern Angst: Lieber Gott, was soll ich sagen? Ganz Findige machen mit Sündenzetteln Kasse
Musikspielen, spazieren gehen, ausmisten, Zahnarzt, ein Ausflug in die Stadt, Fußball, ministrieren und dass der Papa am Donnerstag Jagdhorn geübt hat: Dieses Dokument oben ist das Tagebuch eines Elfjährigen im Jahr 1979. Und da war natürlich eines noch: die Beichte. Das war so aufregend, dass er es sich schon drei Wochen vorher am Montag notierte. Um es nicht zu vergessen? Mitnichten. Zu aufgeregt war der Bub von damals, wie es wohl wird, wenn er dem Pfarrer im dunklen Beichtstuhl seine Sünden gesteht. Heute, wenn viele Kommunionkinder beichten gehen, ist das nicht anders - auch wenn sich viel geändert hat, wie Pfarrer Gerd Greier aus der Stadtpfarrkirche Herz Jesu Bad Kissingen dieser Zeitung erzählt.
Kinder von heute scheinen unfassbar cool. Erleben Sie die Kids noch aufgeregt vor der Beichte?
Gerd Greier: Natürlich. Beichten ist immer aufregend, aber das ist ganz natürlich. Wer sagt schon gerne etwas Unangenehmes, wer stellt sich schon gerne der Wahrheit, das ist ja nie leicht. Aber im Gegensatz zu früher hat sich viel verändert.
Bereiten Sie die Eltern auf die erste Beichte vor?
Ja. Wir haben es heutzutage ja oft mit Eltern zu tun, die eher seltener beichten oder deren Beichte lange zurückliegt. Die Eltern der Kommunionkinder sollten zuhause so gut wie nichts zum Thema Beichte - besonders wenn damit selber keine gute Erfahrung gemacht wurde. Und vor allem keinen Sündenzettel diktieren...
...der ja früher oft weiterverkauft wurde. Eine Kollegin berichtete mir, dass in der Beichtgruppe ihrer Tochter die Mädchen ihre Zettel an die Jungs verkauften...
...das ist natürlich, nun ja, kontraproduktiv. Aber oft wird mit den zuhause verfassten Sündenzetteln den Kindern Angst gemacht. Wir versuchen, die Kinder vorzubereiten, dass sie es sind, die beichten - und nicht Papa oder Mama. Sie sollen sich mit ihrem eigenen Gewissen auseinandersetzen.
Ich weiß, dass Sie ans Beichtgeheimnis gebunden sind. Aber grob gefasst: Um was geht es den Kindern?
Die Kinder lassen sich sehr wohl auf die Beichte ein und berichten aus ihrem Lebensfeld. Ich habe noch nie ein Beichtgespräch gehabt, bei dem ein Kind gar nichts sagte. Kinder wissen sehr gut zu unterscheiden, was gut und was nicht gut ist. Im Allgemeinden geht es um Schule, Familie und Freunde. Auch Haustiere kommen vor.
...dass die Kinder vergessen haben, sie zu füttern?
Ja, unter anderem. Oder dass sie wissen, dass Hunde eher zu Verstopfungen neigen, wenn sie nicht regelmäßig Gassi geführt werden. Oder dass ihr Hase nur noch ein Gerippe wäre, wenn sich die Mama nicht drum kümmern würde.
Ich müsste schmunzeln.
Ja, das tue ich auch! Aber es gibt auch Gespräche, die wirklich ans Eingemachte gehen. Da erlebt man, wie unterschiedlich Kinder sind. Manche sind außerordentlich gewissenhaft und sehr reflektiert. Bei anderen muss man ein bisschen nachhelfen, aber man findet ja immer irgendwas. Aber: Die Kinder dürfen auf keinen Fall etwas erfinden!
Und das ist natürlich aufregend.
Aber wie! Das Schöne ist: Man lebt die Aufregung mit. Und ich werde nicht müde zu betonen, ihnen zu sagen, dass sie bei mir sicher sind. Dass ich nur da bin, weil der liebe Gott Menschen braucht, die ihm Ohren und Mund leihen. Ich bin ja nur Vermittler - und als der werde ich nichts und niemandem etwas sagen und alles Gesagte sofort vergessen. Auch wenn Mama oder Papa mich fragen.
Und wie geht es den Kindern danach?
Sie sind wirklich erleichtert nach der Beichte. Sie atmen tief durch und fühlen sich befreit. Es geht ja um die Los-Sprechung.
Wie war es, als Sie als Kind gebeichtet haben?
Unheimlich. Zum einen war es immer in einem klassischen Beichtstuhl. Hier in Herz-Jesu haben wir Beichtgesprächszimmer. Und die Kinderbeichte ist in Räumen, mit einem Tisch, Stühlen und einer Kerze auf dem Tisch - der Beichtstuhl war dunkel und kalt. Und: Mein Heimatpfarrer war streng, ich hatte großen Respekt vor ihm. Und ich musste alle paar Wochen beichten - da habe ich dann immer dasselbe gesagt.
Haben Sie gelogen?
Klar, das habe ich gebeichtet. Und außerdem hätte ich beichten sollen, dass ich nicht streitsüchtig war. Ich war zu brav. Das hätte ich sagen sollen!
Wenn jetzt zu Ihnen ein Kind kommt und ernsthaft sagt, es sei zu brav und streite nie - was raten Sie ihm?
Ich erkläre ihnen, dass Streiten durchaus wichtig und richtig ist. Aber nur respektvoll, ohne Beleidigungen und ohne Erniedrigung. Das gilt auch für Erwachsene. Jesus war ja auch streitbar. Nur: Das Wie ist entscheidend.
Haben Sie im Beichtstuhl schon einmal von einem Verbrechen erfahren? Von sexuellem Missbrauch beispielsweise?
Gott sei gepriesen, das hatte ich noch nie. Aber es beschäftigt mich. Was mache ich dann? Ich darf mit dem, was mir gesagt wird, nicht an die Öffentlichkeit gehen. Außer, der Beichtende ist damit einverstanden. Ich würde versuchen, mit ihm zu reden, ihn fragen, ob ich aktiv werden darf. Aber die Vorstellung ist der blanke Horror - unter den Teppich kehren könnte ich es nicht. Wenn es ein Kind wäre, würde ich es ermutigen und Unterstützung in seinem Fall anbieten.