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Kinder an der Anton-Kliegl-Mittelschule versöhnen Mitschüler


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Freitag, 07. Februar 2014

Die Streitschlichter an der Anton-Kliegl-Mittelschule in Bad Kissingen helfen, verletzte Gefühle zu heilen.
Nicolette Walczak und Angela Lieb sind Streitschlichter an der Anton-Kliegl-Mittelschule. In einem vertraulichen Gespräch mit zwei zankenden Schülern notieren sie, worum es geht. Fotos: Carmen Schmitt


"Wir sind in der Pause rausgestürmt, Artur hat mich festgehalten und meine Jacke zerrissen", klagt Christian. "Der nervt mich immer und kommandiert mich herum", hält Artur dagegen. Beide sitzen an einem runden Tisch. Gegenüber von ihnen Angela und Nicolette. Die beiden Mädels hören sich die Geschichte der Jungs an.

Die vier Schüler haben sich im "Streitschlichterraum" der Anton-Kliegl-Mittelschule getroffen.

Die Jungs sind gekommen, um sich auszusprechen und ihren Konflikt aus der Welt zu schaffen. Diesmal ist die Situation nicht echt. Den Streit zwischen den beiden hat es nie gegeben; er ist aber typisch im Schulalltag. Das Rollenspiel ist eine Übung für die zehn Siebtklässler, die zu "Streitschlichtern" ausgebildet wurden.

Unter die Oberfläche blicken

"Der größte Knackpunkt ist herauszufinden, worum es eigentlich geht", sagt Lehrerin Birgit Wikstrom, die die Schüler zusammen mit Miriam Roth ausgebildet hat. Meist liege der tatsächliche Konflikt tiefer als der kleine Streit an der Oberfläche. "Wenn sich beide erst einmal ausgesprochen haben, liegt die Lösung oft auf der Hand." Der Weg dorthin ist nicht leicht, muss aber freiwillig gegangen werden. "Sonst bringt es nichts", sagt Birgit Wikstrom.

Viele Gefühle brodeln in Menschen, bis es zum Streit kommt. Angst, Verzweiflung, Liebe oder Verzweiflung, viele Schlagworte stehen auf einem Plakat im Streitschlichterraum. Während ihrer Ausbildung im Dezember und Januar haben die Schüler Emotionen gesammelt und hinterfragt. Diesen wollen sie in den Gesprächen mit den Streithähnen auf die Schliche kommen.

Im Gespräch an Regeln halten

Was ist ein Streit, wie entsteht er und wie kann man ihn beilegen? "Wenn es einmal kracht, kann man nicht einfach sagen: So, jetzt vertragt euch wieder", sagt Birgit Wikstrom. Es brauche mehrere Gesprächsphasen bis eine Diskussion wieder aus der Welt geräumt ist. Für die Runde im Streitschlichterraum gibt es Regeln: "Wir lassen jeden ausreden", sagt Angela. Die 12-Jährige ist eine der beiden Moderatoren. "Wir sind neutral und was in diesem Raum gesagt wird, erzählen wir nicht weiter."

Während des Gesprächs bleiben die Schüler unter sich. Es gebe aber Grenzen, sagt Schulleiter Harald Bötsch. Dann, wenn es um Körperverletzung geht oder Alkohol im Spiel ist. Ansonsten organisieren sich die Streitschlichter selbst. Für Birgit Wikstrom hat das einen großen Vorteil: Die Schüler begegnen sich auf einer Ebene. "Sie sprechen die Sprache der Kinder", sagt die 43-Jährige.

Seit acht Jahren bilden Lehrer der Anton-Kliegl-Mittelschule Streitschlichter aus. Schüler aus den 7. Klassen melden sich freiwillig für den Dienst. Mit den zehn neuen Streitschlichtern sind insgesamt 30 im Einsatz. Das Konzept geht auf, meint Birgit Wikstrom. "Man merkt es an der Stimmung in der Schule." Schon im Klassenzimmer können kleine Reibereien gelöst werden, erklärt sie. Schließlich lernen die Schüler sich selbst besser kennen und wissen, wie sie in einem Konflikt reagieren.

Entschuldigen und nähen

Artur und Christian haben die Plätze an dem runden Tisch getauscht. Die 12-jährigen Jungs sollen sich in die Situation des anderen hineinversetzen. Wie fühlt der Freund? Beide schreiben auf ein Kärtchen, was sie von dem anderen erwarten: "Er soll sich entschuldigen und die Jacke nähen", "Dass er mich nicht mehr kommandiert". Auf einem Formular halten Angela und Nicolette die Vereinbarung fest. Alle unterschreiben darauf, die Wogen sind geglättet. So zumindest im Rollenspiel.