Kilian Moritz: Presse im Dienste der Demokratie
Autor: Redaktion
Bad Kissingen, Mittwoch, 20. Februar 2019
Der aus der Rhön stammende Medienrechtler Kilian Moritz kommentiert das BGH-Urteil zum Crailsheimer Stadtblatt und die Folgen.
Von Kilian Moritz
Der Bundesgerichtshof hatte unlängst zwischen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Grundgesetz) und der Garantie der freien Presse (Art. 5 GG) abzuwägen und zu entscheiden. Es ging hier um eine ganz konkrete Einzelausgabe einer kostenlos verteilten kommunalen Publikation, dem Crailsheimer Stadtblatt. Bevor man dieses Urteil im Detail analysiert, lohnt es sich meines Erachtens, einen Blick auf die bisherige Rechtsprechung zu werfen und zu klären, warum in Deutschland die Pressefreiheit einen solch hohen Schutz genießt.
Im Nazideutschland wurden die Medien gleichgeschaltet und staatlich gelenkt. Wie die Nazis die Aufgabe der Medien sahen, zeigt sich in der Rede des Reichssendeleiters Eugen Hadamovsky bei der Eröffnung des Fernseh-Sendebetriebs im Jahr 1935. Er stellte klar: "In dieser Stunde wird der Rundfunk berufen, die größte und heiligste Mission zu erfüllen: nun das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutsche Herzen zu pflanzen.". Dem steht das heutige Verständnis konträr gegenüber: Medien sollen als vierte Gewalt im Staat kontrollieren, kritisch berichten und Missstände aufdecken. Dass Medien diese Aufgabe nur erfüllen können, wenn sie staatsfern sind, war aber nicht immer so klar.
Adenauers Staatssender
So wollte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer in den 1950er Jahren einen eigenen, staatlichen Fernsehsender gründen, da er sich über die nach seiner Ansicht zu linke Berichterstattung der ARD ärgerte. Erst das Bundesverfassungsgericht konnte Adenauer 1961 im sog. "ersten Fernsehurteil" stoppen. Karlsruhe stellte in diesem Urteil klar, dass Rundfunk zwingend staatsfern erfolgen muss und unterstellte den Rundfunk den internen Gremien, die mit Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppierungen besetzt sind. In den ARD-Landesanstalten sind dies der Rundfunk- und Verwaltungsrat, im ZDF der Fernseh- und Verwaltungsrat und in der BLM, der Aufsicht auf die Privatsender in Bayern, der Medienrat.
Trotz der klaren Vorgabe der Verfassungsrichter zur Staatsferne standen die Rundfunk-Aufsichtsgremien noch viele Jahrzehnte unter großem Einfluss der Politik und der Parteien.
Anfang der 1970er Jahre wollte die CSU-geführte Staatsregierung, auch hier aus Ärger über die nach ihrer Ansicht zu linke Rundfunk-Berichterstattung, den Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks so aufstocken, dass sich die Zahl der Politiker und insbesondere der CSU-Politiker stark erhöht hätte. Statt 41 sollte der Rundfunkrat künftig 59 Mitglieder enthalten, also um 18 aufgestockt werden (darunter 12 Landtagsabgeordnete, davon acht CSU-Abgeordnete). Einem erfolgreichen Bürgerbegehren ("Hände weg vom freien Rundfunk") gelang es aber, in Bayern über eine Million (!) Unterschriften für ihren Gesetzesentwurf bekommen. Zur Besetzung des Rundfunkrats hieß es darin: "Der Anteil der Vertreter der Staatsregierung, des Senats und des Landtags darf ein Drittel nicht übersteigen." Diese Regelung wurde dann als Artikel 111a ergänzend in die Bayerische Verfassung übernommen.
Versuch der Einflussnahme
Dass die Politik auch weiterhin versuchte, erheblichen Einfluss auf den Rundfunk zu nehmen, zeigt die "Causa Nikolaus Brender". Als ZDF-Chefredakteur galt Brender als unabhängiger und kritischer Journalist. Auf Betreiben von Politikern im ZDF-Verwaltungsrat wurde sein Vertrag 2009 nicht verlängert. Als Folge konkretisierte das Bundesverfassungsgericht 2014 in einem Normenkontrollverfahren, in dem es um die Frage ging, ob die Vorschriften zur Zusammensetzung der ZDF-Kontrollgremien verfassungsgemäß sind: Maximal ein Drittel der Gremienmitglieder dürfen staatlich oder staatsnah sein. Bei jedem Mitglied muss durch eine persönliche Inkompatibilitätsprüfung festgestellt werden, ob es tatsächlich staatsfern ist.