Kein Abend für Pessimisten
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Montag, 22. Februar 2016
Ein hochkarätiger Mix aus Kabarettisten und Comedians macht die 1. Bad Kissinger Lachnacht zu einer witzigen Abrechnung.
Es wird gelacht im Kurtheater. Und wie! Beste Laune herrscht schon zur Pause bei der heiteren Mixed Show, dem "Best of" der Künstler, die Moderator Ole Lehmann, in Berlin lebender Comedian, Musicaldarsteller und Autor vorstellt. Der gebürtige Hamburger, er war schon Gast bei Dieter Nuhr im Fernsehen, macht aus seinem "Anderssein" kein Hehl, vermutet, dass sich die Männer bei seinem Anblick fragen: "Is er, oder is er nich"? um gleich aufzuklären: "Natürlich is
er... Fleischesser... oder was dachten Sie?" Das ist schon mehr als nur Moderation. Lehmann skizziert und zeichnet humorvoll den Irrwitz des Alltags.
Harmlos nur auf den ersten Blick
Klavierkabarettist Daniel Helfrich aus dem Odenwald könnte ein "Schwiegermuttertraum" sein, gutaussehend, blonde Locken, blitzte da nicht spitzbübischer Spott aus den blauen Augen.
Er parodiert, scheut sich nicht vor Bosheiten und hat mit der klavierbegleiteten Publikumsumfrage den Zuschauern wohlgehütete Geheimnisse entrissen. Wortaktrobat, der er ist, holt er sich höflich die Zusage für einen persönlichen Dialog ab mit: "Muss ich Euch Siezen oder darf ich Sie Euchzen". Ganz harmlos bittet er die Männer, Frauen oder Singles, sich zu outen und als das Eis gebrochen ist, fliegen die Hände auch hoch, wenn nach Schummeln bei der
Einkommensteuer, Fahren mit einem Glas Wein zuviel, nach ehelicher Treue, oder gar einem Joint gefragt wird: "...Wollt ihr auch was haben?", rief er der Gruppe von Urlaubern zu, die sich gemeldet hatten. Virtuos am Klavier spöttelt er mit Wortspielen über Schufte wie Beckenbauer oder Nervensägen wie Helene Fischer und kommt singend zum Schluss: "Das Leben ist fantastisch, wir leben nur einmal".Lutz von Rosenberg Lipinski, der bestangezogenste Mann des Abends, witzelt Turnschuhträger Lehmann, als er den Hamburger Kabarettisten mit ostwestfälischen Wurzeln ankündigt. Lepinski nimmt die Bahn und die "zentrale Lage" des Weltbades Kissingen aufs Korn. Beim Umsteigen in Würzburg erklärt er dem Schaffner, dass er nach Bad Kissingen will. Erhellende Antwort: "Da wünsche ich ihnen viel Glück". Angekommen in der "Einöde von Ebenhausen" fügt sich dann aber doch alles zum Guten, weil im "Schienenersatzverkehrsbus" auch fünf Rehapatientinnen in die Kurstadt schaukelten. Zum Stuttgarter Bahnhof meint der lustigste Theologe Deutschlands: "Dass der Bahnhof nach unten muss, ist nicht so schlimm, aber dass die Stadt darüber stehen bleibt, hätte nicht sein müssen" und meint, dass Berlin am besten in die Nähe eines funktionierenden Flughafens verlegt werden sollte.
An "Mutti" kommt kein Kabarettist vorbei. Auch Frederic Hormuth nicht. Sein hintergründiger Humor hält aber auch unserer Gesellschaft den Narrenspiegel vor. Dass ausgerechnet die evangelische Pastorentochter aus der Uckermark für Zuversicht und Optimismus eines 80-Millionenvolkes steht, ist kein Ruhmesblatt für den deutschen Michel, sagt er und haut auf den unübersehbaren Buzzer, mit dem er seine Frechheiten, wie "Thomas Gottschalk, Blondierschaden auf zwei Beinen" abschließt. Seine Mimik leidet ein wenig unter der sicht- und hörbaren Erkältung, aber seine Stimme hält auch beim Ohrwurm von der Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt. Der Heppenheimer - auch er ein veritabler Pianist - parodierte den Pflegenotstand in Deutschland und als er textete: "Unsre Oma kommt ins Altersheim nach Thailand" singt und klatscht der ganze Saal mit.
Comedyhobbit
Unzählige Zwerchfellattacken lässt Hennes Bender auf das Publikum los. Moderator Ole Lehmann bringt ihn auf die Bühne. Lehmann gefühlte 1,99 m und Bender tatsächliche 1,62 groß. Ein urkomisch ungleiches Paar. "Ich hab klein angefangen", gesteht der Star der Ruhrpott-stand-up-Comedy-Szene dann auch freimütig. "Klein/Laut" heißt sein aktuelles Programm.
Ja, laut ist er, ein Erzkommödiant und urkomisch dazu. Dabei wirkt alles wie selbstverständlich, nicht gelernt, nicht geprobt. Er vermittelt dem Publikum "So bin ich halt". Sich selbst bezeichnet er als südländischen Latinotypen, der in Kissingen der "Partyhochburg von Unterfranken" beste Chancen haben müsste. Trockene Wortspiele à la Ringelnatz , wenn er im Amtsdeutsch am Telefon die Auskunft erhält: "Der Kollege ist zu Tisch" und auf Nachfrage sei der "aushäusig" und der Anruf "zur Zeit eben unpässlich".
Kabarett ist nicht wirklich neu in der Kurstadt. Kabarettherbst, Michl Müller, Fredi Breunig und Co. sei Dank. Aber so ein schwungvoller Mix aus amüsanter Gesellschaftssatire mit literarischem Musikkabarett macht Appetit auf eine 2. Kissinger Lachnacht.