Karl Englert verlässt Bad Kissinger Jugendamt
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Sonntag, 10. Januar 2016
Karl "Charles" Englert wechselt Mitte Januar in die passive Phase der Altersteilzeit. Mehr als 31 Jahre lang prägte er die Kommunale Jugendarbeit. Nachfolger ist Daniel Korn.
Ein Vorname reicht und hunderte Ehrenamtliche und tausende Jugendliche wissen, wer gemeint ist: Als "Charles" war Karl Englert gut 31 Jahre lang eine Institution in der Kommunalen Jugendarbeit. Am 1. Januar 1985 trat er die Nachfolger von Günter Bender als Kreis-Jugendpfleger an, zum 18. Januar beginnt die Freistellungsphase der Altersteilzeit, seinen letzten Arbeitstag hatte der 63-Jährige am Freitag.
Ehrenamtliches Engagement
"Karl Englert war eine Autorität in der Jugendarbeit - fachlich und persönlich", würdigt Landrat Thomas Bold den scheidenden Kreis-Jugendpfleger, und: "Es geht viel Wissen und Erfahrung verloren." Andererseits sei der Wechsel auch "eine Chance, dass sich was verändert, weil man anders hinschaut.""Ich bin damals rein gekommen auf Grund meines ehrenamtlichen Engagements", erinnert sich der studierte Sport- und Geographielehrer Englert (siehe Info-Kasten). "Ich war in meiner Jugend mehr im Verein als daheim." Dabei ging er oft neue Wege: "Ich war der Erste, der mit Behinderten ins Schwimmbad oder an die Kletterwand ging." Auch bei Auslandscamps: "Wir sind am Berliner Platz eingestiegen und wussten nicht, was uns erwartet", berichtet er zum Beispiel von Reisen nach Jugoslawien.
Vieles sei heute gar nicht mehr möglich: "Der Elternbrief wird jedes Jahr länger", verweist Charles Englert auf immer mehr juristische Hindernisse. Allein dass Jugendliche heute Handys im Wert von mehreren hundert Euro mitnehmen, stelle Jugendleiter vor neue Fragen. Vieles davon kann Englert nicht nachvollziehen: "Ich bin eben ein Konsumverweigerer", sagt er lachend, und: "Das hat vermutlich keine Zukunft." Privat kann er nun die Abenteuer verwirklichen, die nicht ins Korsett der Jugendarbeit passen: "Mein Traum ist ein Urlaub in Griechenland, in einer einsamen Bucht, mindestens ein Viertel Jahr", sagt Englert über Pläne für den Ruhestand. Zu viert wolle er "wirklich weg von allem".
Immer mit Freude am Beruf
Dabei habe ihm der Beruf immer Spaß gemacht: "Ich hatte das Glück, immer nur mit Ehrenämtlern arbeiten zu dürfen, also Menschen, die einfach ein bisserl mehr tun als andere", fasst der langjährige Kreis-Jugendpfleger seine Arbeit zusammen. "Ich hatte damals viel mehr Freiräume", denkt Englert an seine Anfangsjahre zurück. Viel mehr Praktiker sei er damals gewesen, ständig in Kontakt mit Jugendlichen und Jugendbetreuern. Heute finde mindestens die Hälfte der Arbeit am Schreibtisch statt.1997 stieg der Landkreis zum Beispiel in die Jugendhilfeplanung eingestiegen. Zudem wurde neben dem erzieherischen der ordnungsrechtliche Jugendschutz ins Jugendamt verlagert: "Wir wollten zum einen unterstützen und beraten, aber wir wollten auch bei den Strafen mitreden", sagt Englert. Bad Kissingen sei hier Vorreiter gewesen, mittlerweile sei diese Verbindung Standard in Bayern.
"Früher hat man einfach auf vieles nicht geschaut", erinnert sich Englert. Da seien halt Öfen aufgestellt und Kabel verlegt worden. Heute brauche es dazu Fachleute. "Wenn man heute mit einem Hänger fahren will, braucht man ein Studium", nennt Englert die Verwirrung um die neuen Führerschein-Klassen als weiteres Beispiel.
Karl Englert zeigte gerade beim Jugendschutz immer klare Kante, biederte sich niemals an: "Ich bin nicht der, der alles gut findet", sagt er über sich selbst. Für klare Grenzen sei er in den 1990er Jahren auch beim Alkohol gewesen. "Das ist fürchterlich ausgeufert", erinnert er sich an Exzesse bei Partys und Vereinsfeste, und: "Wir haben vielen Kindern wirklich das Leben gerettet." Mittlerweile habe sich die Situation wieder normalisiert, die klaren Regeln für den Ausschank seien ein guter Weg gewesen. Dabei habe alles seine Grenzen: "Jugendliche trinken auch mal zu viel, und Veranstalter können nicht alles regeln", ist auch Englert bewusst.
Bedarf nach Treffpunkten
Ein Dauer-Thema in den 31 Jahren seien auch Jugendheime gewesen: "Jugendliche wollen eigentlich gar keine baurechtlich genehmigten Räume, das zeigt sich immer wieder." Sein Traum seien Abenteuer-Spielplätze für Jugendliche, auf denen sie sich selbst ein Domizil bauen könnten. Kommunen sollten am besten Sozialflächen dafür vorsehen. Und wenn eine Generation kein Interesse mehr am Erbauten habe, werde alles wieder abgerissen. Denn auch in Zeiten von Facebook gebe es einen Bedarf an Treffpunkten für Jugendliche. Als einen Trend der vergangenen Jahre sieht Englert, dass Jugendliche unpolitischer werden: "Ich würde mir wünschen, dass Jugend wieder frecher wird", sagt Englert. Stattdessen würden sich viele als Generation "Wir funktionieren" definieren. Dazu tragen laut Englert auch immer vollere Terminpläne bei: "Die Freizeit, durchaus auch mal Langeweile, aus der dann Kreativität entsteht, gibt es heute nicht mehr", bedauert Englert. Vieles habe sich aber in der Jugendarbeit auch verbessert: "Die Bürgermeister und Gemeinderäte kümmern sich heute viel mehr", sagt Englert über die Absprache mit den Kommunen. "Früher wenns's geknallt hat, wurde nach Charles Englert gerufen." Heute würden oft Probleme selbst gelöst - auch mit Hilfe des Vereins "Pro Jugend".
Privat Karl Englert wurde 1952 in Bad Kissingen geboren und wuchs auch in der Kernstadt auf. Er ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.
Beruf Nach Kliegl-Grundschule und Bad Kissinger Gymnasium verpflichtete er sich von 1972 bis 1974 zunächst für zwei Jahre beim Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei). Danach studierte er Sport und Geographie für das Lehramt. Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen kümmerte er sich ein Jahr lang als Hausmann um seinen Sohn, bevor er 1985 als Kreis-Jugendpfleger eingestellt wurde.
Ehrenamt Bereits mit 14 Jahren engagierte sich Englert bei "seinem" TSV Bad Kissingen, später kam die Mitarbeit im Kreis- und Stadtjugendring Bad Kissingen dazu. Bei der Lebenshilfe baute Englert damals völlig neue Sportangebote und Freizeiten für Menschen mit Behinderung auf.