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Jugendarbeit im Landkreis Bad Kissingen: Einschränkungen und neue Ideen


Autor: Ralf Ruppert

LKR Bad Kissingen, Montag, 13. Juli 2020

Viele Jugendzentren sind noch geschlossen. Verbände und andere Betreiber kämpfen mit den Vorgaben und suchen nach neuen Konzepten.
Christian Fenn (von links) und Maria Pfaff stellen das Konzept fürs Zeltlager der Hammelburger Pfarrjugend vor.  Foto: Ralf Ruppert


Eine Umfrage des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat es in der vergangenen Woche belegt: Mehr als 70 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch die Corona-Krise seelisch belastet. Stress, Angst und Depressionen haben zugenommen. Das kann auch Christian Fenn, hauptamtlicher Streetworker sowie 3. Bürgermeister und Vorsitzender des "Jugendladens" Hammelburg bestätigen: "Viele, die das Jugendzentrum nutzen, um der Familie zu entkommen, haben jetzt keinen Ausweg mehr", verweist er auf die Schließung sämtlicher Jugendräume Mitte März. Und die 18-jährige Natascha Wolf sagt über die Stimmung in ihrer Clique: "Da entsteht schon so eine Wut."

Neue Leute kennen lernen, aus der Familie ausbrechen oder Knutschen: "Die Bedürfnisse der Jugendlichen bleiben ja bestehen", sagt Fenn. Aber die Corona-Pandemie verstärke einen generellen Effekt in der Jugendarbeit: "Wenn ein Raum zu sehr mit Regeln belegt wird, weichen die Jugendlichen aus." Etwa bei den Hygiene-Konzepten: "Wir bräuchten im Prinzip die Unterschrift der Eltern, dass wir die Namen der Jugendlichen notieren dürften", nennt Fenn als Beispiel, und: "Das hat mit offener Jugendarbeit dann nichts mehr zu tun."

Die Konsequenz für den Jugendladen als Betreiber: Das Hammelburger Juz bleibt vorerst geschlossen. Das ärgert auch Natascha Wolf: Seit sie 14 Jahre alt ist, komme sie regelmäßig ins Juz, erzählt die 18-Jährige. "Das ist wie eine zweite Familie, hier fühle ich mich wohl." Mittlerweile gehört sie zum Kreis der Betreuer: Fünf Tage die Woche ist "Juz-Oma" Irmhild Mützel Ansprechpartnerin, am sechsten Tag können eine Handvoll Jugendliche eigenverantwortlich für andere aufsperren. Nachmittags kommen laut Fenn im Schnitt um die 20 Jugendliche, die meisten sind mindestens zwölf Jahre alt, aber es würden auch jüngere Flüchtlingskinder beim Hausaufgaben-Machen betreut. Am Abend treffen sich die Älteren zu Brett- oder Computer-Spielen, Kickern oder einfach nur Reden. Der Jugendladen zahlt Ausstattung und Material, Miete und Nebenkosten übernimmt die Stadt. Der Verein finanziert sich in erster Linie durch eine große Party an Weihnachten. "Auch das bricht uns heuer weg", verweist Fenn auf die Corona-Auswirkung.

Erste Jugendräume geöffnet

"Die Jugendarbeit lebt von Beziehungsarbeit und persönlichen Kontakten", heißt es auch auf der Homepage des Landkreises Bad Kissingen. Die Kommunale Jugendarbeit habe die Bürgermeister über die Hygiene-Voraussetzungen informiert. Die Mitarbeiter des Vereins "Pro-Jugend", der in vielen Kommunen die Jugendarbeit übernimmt, hätten bereits viele Hygienekonzepte erstellt. Bei den hauptamtlich betreuten Jugendräumen habe wieder "ein Großteil" geöffnet, etwa in Wildflecken, Bad Brückenau, Maßbach, Steinach und Burkardroth. Dagegen empfehle die kommunale Jugendarbeit, ehrenamtlich betreute Jugendräume noch nicht zu öffnen.

Die Mitarbeiter von Pro-Jugend hätten die Jugendlichen in den vergangenen Monaten über soziale Medien, eine digitale Sprechstunde und Telefonate betreut. "Gerade die Sprechstunde erfreute sich bei den Jugendlichen großer Beliebtheit", heißt es aus dem Landratsamt.

Streetworker Fenn beobachtet in der Drogenhilfe anderes: "Viele halten es daheim nicht mehr aus und schlafen draußen oder kommen bei Freunden unter." Etliche Jugendliche würden nicht verstehen, weshalb sie zwar in die Schule müssen, aber ihre Freunde danach nicht ganz normal treffen können. "Auf meinem Schreibtisch stapeln sich Anzeigen wegen Corona-Verstößen", sagt Fenn.

Christian Pörtner, Leiter der Hammelburger Polizei, meldet "keine Auffälligkeiten" etwa beim Thema häusliche Gewalt oder Konflikten unter Jugendlichen. Laut Landratsamt mussten seit Anfang März sogar weniger Kinder aus Familien geholt werden als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Sorgen um die Jugendarbeit macht sich auch Klaus Hofmann, Rektor der kirchlichen Jugendbildungsstätte Volkersberg: "Wir dürfen Kinder und Jugendliche nicht auf die Wissensvermittlung reduzieren", betont er. Deshalb soll es am Sonntag, 26. Juli, um 16 Uhr dazu auch eine Diskussion auf dem Volkersberg geben. "Alles, was mit Schulen zu tun hat, ist storniert", fasst Hofmann die Lage des Bildungshauses zusammen. Jede Woche würden acht Klassen fehlen, weil die Einrichtung nur zu rund zehn Prozent ausgelastet ist, sind die meisten Mitarbeiter in Kurzarbeit. Immerhin gebe es einige Gemeinde-Freizeiten, zum Teil aus Hessen. Das Haus arbeite an Hygiene-Konzepten für Veranstaltungen.

Mehr Platz und strenge Regeln

Peter Bethäuser vom Langendorfer "Circus Luna" verhandelt aktuell mit Behörden, um die Feriencamps zu retten: Trennwände in den Schlafzelten, größere Tische, strenge Regeln für die Freizeit, kein Schminken und keine Kostüme sind nur einige Beispiele für das, was alles zu bedenken ist.

Auch das Zeltlager der Pfarrgemeinde Hammelburg soll doch stattfinden, wenn auch in anderer Form: "Die Absage hat viele getroffen", berichtet Fenn, der im Betreuer-Team aktiv ist. Also überlegten sie eine Alternative: "Die Jugendliche zelten in kleinen Gruppen im eigenen Garten und wir organisieren Spiele in der Stadt", fasst Fenn das Konzept zusammen. Viel laufe online, aber auch ein Freibad-Besuch und ein Lagerfeuer mit viel Abstand seien vom 5. bis 9. August geplant. Mehr Infos auf www.zeltlagerfamilie.de.