Jüngere Zuhörer in einem größeren Saal
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Bocklet, Mittwoch, 22. Februar 2017
Die Bad Bockleter Kurmusiker übernehmen noch täglich bis Sonntag, 5. März, die Urlaubsvertretung des Kissinger Kurorchesters.
Ungewohnte Klänge sind seit Freitag bei den Kurkonzerten in der Bad Kissinger Wandelhalle zu hören: Bis zum 5. März spielen dort die vier Musiker aus dem Staatsbad Bad Bocklet, solange sich das heimische Kurorchester einen dreiwöchigen Urlaub gönnt. "In unserer Besetzung sind wir die letzten Mohikaner der klassischen Kurmusik", scherzt Kapellmeister István Hegedüs.
Schon im dritten Jahr spielt das Quartett aus dem benachbarten Staatsbad als Urlaubsvertretung. Die Musiker kennen also das hiesige Publikum und viele Kissinger gehören zu ihren Fans. Natürlich sei es in dieser großen, 1000 Zuhörer fassenden Wandelhalle eine völlig andere Akustik und Atmosphäre als im vergleichsweise kleinen Kursaal moderner Bauart in Bad Bocklet. "Aber wir sind Profis: Nach den ersten Takten hatten wir uns umgestellt", erklärt Hegedüs.
Für seinen Violinisten Julius Mezei dagegen, der erst seit Dezember dem Quartett angehört, ist dieses Gastspiel eine Premiere. Für Hegedüs ist die Konzertmuschel keineswegs neu. Schließlich saß er, bevor er 2006 als Kapellmeister nach Bad Bocklet ging, seit 2001 als Pianist des Bad Kissinger Kurorchesters fünf Jahre täglich am selben Platz auf dieser Bühne.
Kritisches Publikum
Einiges ist für das Quartett aber doch anders: "Die Zuhörer hier sind etwas jünger als in Bad Bocklet", meint Saxophonist Gabor Deak festgestellt zu haben. Sie seien auch aufgrund des vielseitigeren kulturellen Angebots in Bad Kissingen in der Musik erfahrener. "Sie wissen unsere Konzerte mehr zu schätzen." Andererseits seien die hiesigen Zuhörer, die im Regentenbau den chinesischen Pianisten Lang Lang erleben können, deshalb auch kritischer, ist Hegedüs aufgefallen. "Hier hat man ja mehr Vergleichsmöglichkeiten."Mit ihren Kissinger Musikerkollegen wollen sich die vier Ungarn keinesfalls vergleichen lassen. Denn anders als bei einem 13-köpfigen Kammerorchester setzt sich ein Quartett aus vier Solisten zusammen. "Man hört jeden einzelnen Ton. Unsere Musik hat eine ganz andere Klangfarbe", macht Deak den Unterschied deutlich. "Wir müssen deshalb besonders gut auf einander eingespielt sein", ergänzt Kapellmeister Hegedüs. Die Voraussetzung dafür ist bestens: "Wir haben alle dieselbe Hochschulausbildung in Ungarn gehabt, wir sprechen also auch musikalisch dieselbe Sprache."
Als Profis verstehen die Bockleter Kurmusiker, auf das Kissinger Publikum einzugehen, können notfalls sogar innerhalb eines Konzerts den zuvor festgelegten Programmablauf spontan umstellen, um auf die aktuelle Stimmung ihrer Zuhörer musikalisch einzugehen. Hegedüs: "Ich spüre das Publikum." Das Quartett kann auf ein jederzeit abrufbares Repertoire von 300 Salonmusik-Stücken und 150 Tanzmusiken zugreifen. "Bei den Kissinger Kurkonzerten spielen wir aber nur Salonmusik", sagt der Kapellmeister.
Am Wochenende aufgepeppt
Allerdings gibt es zu unterschiedlicher Tageszeit spürbare Unterschiede. Hegedüs: "Das ist Konzertdramaturgie." So beginnt der Tag beim Frühkonzert mit seriöseren Ouvertüren, nachmittags werden leichtere Charakterstücke, Walzer und Tangos, vor allem beim Publikum bekannte Stücke geboten. Die große klassische Musik heben sich die vier Bockleter für die Abendkonzerte auf."Am Samstag und Sonntag wird unser Programm noch etwas aufgepeppt", freut sich Hegedüs auf die mit Kissingern, Kurzurlaubern und Tagesbesuchern voll besetzte Wandelhalle. Dann erklingen quirlige Klarinettenstücke, längere Potpourris und die temperamentvolle Musik ihrer ungarischen Heimat.