Jüdischer Friedhof Bad Kissingen: Jeder Stein erzählt eine Geschichte
Autor: Franziska Keller
Bad Kissingen, Sonntag, 05. Dezember 2021
Wissen Sie, wo der jüdische Friedhof in Bad Kissingen ist? Er liegt an der Bergmannstraße. Und er beherbergt viele Geheimnisse. Wissen Sie, warum er nicht rechteckig ist?
Jüdische Tradition lebt auch in Bad Kissingen weiter. Am Sonntag hat Chanukka, das jüdische Lichterfest begonnen, es dauert acht Tage. Auch in Deutschland feiern es viele Jüdinnen und Juden - und das schon seit 1700 Jahren.
Das jüdische Leben in Bad Kissingen wird heute von Itzchak und Raaya Nadel getragen, beide tätig im Kurhaus Beni Bloch. Dort kontrolliert Nadel als Maschgiach die Einhaltung der Regeln der jüdischen Speisegesetze. Ein geschichtliches Zeugnis jüdischen Lebens in der Stadt ist der jüdische Friedhof, wo beide eine Führung angeboten haben.
Im Judentum gelten die Grabstätten als ewige Ruhestelle. Grabsteine dürfen nicht entfernt werden, eine Neubelegung des Platzes - wie im Christentum üblich - ist nicht erlaubt. Jüdische Friedhöfe lagen früher außerhalb der Stadt auf schlechten Grundstücken, beispielsweise auf sumpfigen Boden oder in Hanglage.
Grund hierfür ist, dass es Juden schwer gemacht wurde, überhaupt Begräbnisplätze zu erwerben. Es gibt außerdem zwei Bestattungsarten: In Israel bestattet man die Toten ohne Sarg, nur in Tücher gewickelt, außerhalb Israels meist mit Sarg. Außerdem kümmern sich die Familien des Verstorbenen in aktiven jüdischen Gemeinden um sein Grab, die Pflanzen und die Steine, erläutern die Eheleute. In Bad Kissingen pflegt die Stadt nur den Rasen, für die Grabsteine ist der Landesverband der Juden in Bayern zuständig.
Jüdische Grabstätten
Generell legt man auf den Gräbern auch keine Blumen, sondern Steine auf den Grabstein. Anders als Blumen, die welken, symbolisieren diese Beständigkeit und Unvergänglichkeit. Das Taharahaus, in Bad Kissingen ein Gebäude aus roten Ziegeln, war der Ort für die im Judentum übliche rituelle Waschung des Toten, der daraufhin in Tücher eingewickelt wurde. Daneben gibt es eine Halle, die Familienmitglieder und der Rabbi zur Verabschiedung des Verstorbenen nutzten, erklärt Itzchak Nadel.
Weitere Besonderheiten sind spezielle Symbole auf Grabsteinen, etwa segnende Hände für einen Kohen, also Priester. Diese sind zwischen Ring- und Mittelfinger gespreizt und erinnern so an den Vulkanier-Gruß aus Star Trek. Tatsächlich wurde Leonard Nimoy, der jüdische Darsteller Spocks, bei einem Synagogenbesuch auf diese Geste aufmerksam und führte sie später in die Serie ein.
Jüdisches Leben in Bad Kissingen existiert schon seit dem späten 13. Jahrhundert. Die erste gesicherte Erwähnung des jüdischen Friedhofs im Ort stammt jedoch aus dem Jahre 1817. In den Jahrhunderten davor wurden die Toten auf dem Distriktfriedhof in Pfaffenhausen bestattet. Erhalten sind auf dem Friedhof in Bad Kissingen noch fast 500 Grabsteine, alle in verschiedenen Stadien des Verfalls. Die ältesten Gräber finden sich unten am Hang, da die Leichname einfacher dorthin gebracht werden konnten, erzählt Itzchak Nadel.