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Häusliche Gewalt in Unterfranken: meistens auch die Kinder betroffen - hier gibt es Hilfe


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Mittwoch, 14. März 2018

Sie treten ein, wenn Frauen, Mädchen, Buben und Männern Schreckliches widerfährt. Vergewaltigt, geschlagen: Netzwerk hilft bei häuslicher Gewalt


Dass sie in den Sommerferien heiraten soll, hat sie per Zufall erfahren. Die junge Frau ist Türkin, geboren in der Region. Ihre Eltern haben alles arrangiert: Bald will die Familie Ferien in der alten Heimat machen. Dann soll Hochzeit gefeiert werden. Der jungen Türkin ist ganz und gar nicht nach Feiern. Sie hat Angst. Hilfe findet sie bei Gertrud Schätzlein und ihren Kolleginnen vom Schweinfurter Frauenhaus. Heute sitzen Sozialpädagogen und Mitarbeiter von Beratungsstellen der Region im Landratsamt zusammen. Ihr Thema: häusliche Gewalt. Frauen, Mädchen und manchmal Männer suchen bei ihnen Hilfe, wenn daheim die Fetzen fliegen, wenn jeder Tag weh tut, wenn sie nicht mehr weiter wissen.

Bis zu 75 Frauen melden sich im Jahr bei Solwodi
Wenn es um Zwangsheirat geht, ist Gertrud Schätzlein froh, dass sie die Spezialistinnen von "Solwodi" in ihrer Nähe weiß, sagt sie. "Solwodi": Hinter dem Kürzel steckt der Leitsatz des Vereins: "Solidarität mit Frauen in Not". Renate Hofmann erklärt, wie die Arbeit der Sozialpädagoginnen helfen kann. Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Gewalt in der Ehe - die Lebensläufe der Frauen sind mies.

Bis zu 75 melden sich im Jahr bei den "Solwodi"-Beraterinnen in Bad Kissingen. Sie sind Anlaufstelle für Migrantinnen, bieten Beratung und Schutzwohnungen. Mit ihren Kolleginnen ist Renate Hofmann für Hausbesuche auch im Landkreis unterwegs. Genauso wie Alona Isheim. Sie setzt sich ins Auto, wenn sie von der Polizei ein Fax bekommt.



Auf dem haben die Frauen unterschrieben. Dafür, dass sie sich helfen lassen wollen. Etwa nachdem Beamte zu einem Fall von häuslicher Gewalt angerückt sind. Seit 2015 betreibt Alona Isheim im Dienste des Schweinfurter Frauenhauses "proaktive" Beratung. 26 Faxe hat die Polizei im vergangen Jahr an sie geschickt.

"Wir brauchen dringend mehr Personal", sagt Monika Römer von der "Anlaufstelle sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen" in Schweinfurt. Die Beratungsstelle ist an den Verein "Frauen helfen Frauen" angegliedert - wie das Frauenhaus. Zusammen mit einer Kollegin kümmert sie sich um Gewalt-Opfer, die den Weg zu ihr finden.

Personalmangel beim Thema häusliche Gewalt

97 Meldungen sind bei ihr im vergangenen Jahr eingegangen. 2016 waren es 76. Persönlich, telefonisch und immer mehr per Mail - Monika Römer denkt gerade über eine "Online-Beratung" nach. Über die Hälfte der Fälle: sexuell missbrauchte Kinder. Fast ein Drittel der Schutzsuchenden wurden vergewaltigt. "Täter haben nicht nur ein Opfer. In Familien sind oft mehrere Geschwister betroffen."

Oft sind bei häuslicher Gewalt in Familien mehrere Geschwister betroffen

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, Nina Opfermann, moderiert die Runde. Seit letztem Herbst leitet sie die Abteilung "Kommunale und soziale Angelegenheiten" am Kissinger Landratsamt.
Renate Hofmann und ihre Kolleginnen von "Solwodi" können ausländischen Frauen auch helfen, in ihrem Heimatland wieder Fuß zu fassen. "Rückkehrhilfe" heißt das. Hühnerstall, Frisör-Laden: Nichtregierungsorganisationen und das Ministerium schmeißen zusammen, um eine Basis zu schaffen, damit Frauen ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Und die junge Türkin? "Frauen, die im Heimatland der Eltern verheiratet werden sollen, müssen schnell irgendwo anders hin", sagt Renate Hofmann. Wo sie niemand kennt. Wo sie neu anfangen können. Die Sozialpädagogin appelliert an die Runde: "Schaut hin und schickt die Frauen zu uns."

Info Auskunft über Beratungsstellen und Hilfen gibt es auch vom Landratsamt und auf der Website des Landkreises unter www.landkreis-badkissingen.de in der Rubrik "Bürgerservice".