Druckartikel: Jäger Sepp verrät die Geheimnisse des Waldes

Jäger Sepp verrät die Geheimnisse des Waldes


Autor: Kathrin Kupka-Hahn

Burkardroth, Freitag, 10. Juni 2016

Seit 15 Jahren schon verbringen die Vorschulkinder des Burkardrother Kindergartens eine Woche auf dem Waldplatz am Langen Berg.
Josef Rüttiger, genannt Jäger Sepp, zeigt das Fell eines von ihm erlegten Fuchses. Die Kinder sind beeindruckt. Foto: Kathrin Kupka-Hahn


Mit von der Partie ist jedes Mal auch Josef Rüttiger, der sie in die Geheimnisse des Waldes einweiht. Frieda ist ein Fuchs, Daniel ein Wanderfalke und Lilli ein Frischling. "Was ist das", will das sechsjährige Mädchen wissen. "Ein Baby von einem Wildschwein", erklärt Sepp Rüttiger und verteilt seine Jäger-Medaillen geduldig weiter.

Die hat der 75-Jährige aus Holzscheiben angefertigt, jede einzelne mit Loch und Band versehen, mit Namen und einer Waldtierart beschriftet.
Die Kinder freuen sich darüber und schlüpfen auch gleich in die Rollen. Frieda beispielsweise beginnt zu fauchen und formt ihre Finger zu Krallen. "Ich bin ein Fuchs", raunt sie mit nach vorne geneigtem Oberkörper und beginnt auch gleich damit, einige Mädchen zu jagen. Die genießen das Spiel. Schließlich können sie sich hier im Wald frei bewegen, dem "Fuchs" davonlaufen.
Doch dann ruft der Jäger Sepp, wie Josef Rüttiger genannt wird, die Kinder wieder zusammen. Er hat einen Nistkasten mitgebracht, der nun platziert werden soll. "Ich habe schon gestern einen Nagel eingeschlagen", sagt er. Schnell findet er den Baum und hängt den Kasten auf. Neugierig bestaunen die Jungen und Mädchen sein Werk.


Jeder Gruppe einen Nistkasten

"Mondkinder 2016" hat Sepp darauf geschrieben. Doch beim genaueren Betrachten fallen weitere mit der gleichen Aufschrift an den umstehenden Bäumen auf, nur die Jahreszahlen variieren. "Jede Mondkindergruppe der vergangenen 15 Jahre hat hier einen eigenen Nistkasten hängen", erklärt der Jäger. Einige davon musste er schon tiefer in den Wald tragen und verteilen, da es sonst zu viele rund um den Kindergartenplatz geworden wären.
Manche der Kästen sind aktuell bewohnt, unter anderem von einem Kleiber. "Die verkleben ihren Kasten", zeigt er den Kindern. Die Jungen und Mädchen staunen - ein Anblick, der Sepp schon seit 15 Jahren vertraut ist.
Genauso lange verbringen die Vorschulkinder eines jeden Kindergartenjahrgangs mehrere Tage im Wald - spielen, essen und beschäftigen sich dort, gehen auch aufs extra eingerichtete Waldklo.


Ein bleibender Eindruck

"Die ehemalige Erzieherin Maria Seidenberg hatte mich damals angesprochen, ob so etwas nicht möglich wäre", erzählt Rüttiger, der schon seit 47 Jahren Jagdpächter des Reviers Zahlbach ist. Am Anfang waren die Kinder noch oben an der Albeshäg, später bekamen sie einen festen Platz im Gemeindewald am Langen Berg oberhalb Burkardroths zugewiesen. "Der Eichenwald hier ist ideal für Kinder", sagt er. Schließlich gebe es hier keine Zecken, die in diesem Jahr besonders zahlreich auftreten. "Da drüben im hohen Gras auf der Wiese dürft ihr deshalb nicht spielen, da müsst ihr aufpassen", fügt er hinzu.
Sepp kommt jedes Jahr zu den Kindern, erklärt ihnen das Leben im Wald, was Jäger machen, bringt Tierfelle, Geweihe und verschiedene Jagd-Utensilien mit. Bei vielen hinterlässt er einen bleibenden Eindruck. "Viele grüßen mich auch noch Jahre später mit "Hallo Jäger Sepp", erzählt er.
Richtig lustig finden die Jungen und Mädchen diesmal die Töne, die er mit verschiedenen Pfeifen und Mundstücken erzeugt. Selbst als Sepp vorführt, wie ein angefahrener Hase jammert, müssen die Kinder laut lachen. Besonderer Hingucker ist wie schon in den Jahren zuvor der präparierte Steinmarder. Emma streicht behutsam über sein Fell. "Es ist ganz weich. Ich würde ihn am liebsten mit nach Hause nehmen", sagt sie.
Tim hingegen inspiziert die Zähne des Räubers und ist überrascht, wie spitz sie sind. Viele Ah's und Oh's gibt es, als Sepp seinen präparierten Perückenbock zeigt. Dabei handelt es sich um ein männliches Reh mit missgebildetem Geweih, das wie eine Turmfrisur aussieht. Selbst die Erzieherinnen sind erstaunt, obwohl sie diesen Bock schon ein paar Mal gesehen haben.


Natur genießen

"Auch wir genießen die Woche mit den Kindern im Wald", sagt Marion Höchemer. Die Mädchen und Jungen seien ständig in Bewegung und stets damit beschäftigt, die Natur zu entdecken. Wie aufs Wort kommt Franzi angelaufen. "Marion guck mal nach, was das für eine Raupe ist", ruft sie. Sofort zückt die 50-Jährige ein Bestimmungsbuch und blättert darin. "Das könnte die Raupe eines Rotgelben Weichkäfers sein", erklärt sie der Sechsjährigen und zeigt die Fotos. Die Kleine ist zufrieden und macht sich wieder auf den Weg, Neues zu finden.
"Gestern haben die Kinder Waldarbeiter gespielt, letzten Freitag haben wir sogar einen Unterstand aus Ästen gebaut", schwärmt die Erzieherin. Heute ist der Jäger Sepp da. "Sag mal, hast Du schon mal einen Wolf geschossen", will Inka von Josef Rüttiger wissen. Doch der verneint und berichtet von Wildkatzen, Dachsen und einem Luchs, die sich in seinem Jagdrevier aufhalten. Dann greift der Waidmann noch einmal hinter sich und holt ein Bündel aus seinem Auto. "Und zum Abschied bekommt nun jeder von euch noch einen Jägerstock." Freudig greifen die Kinder zu.