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Intimes zum Schluss: Sex-Shop-Besitzerin geht in Rente


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Freitag, 19. Juni 2015

Emmi Huebl führt seit fast 30 Jahren einen"Spielzeugladen für Erwachsene". Im Herbst ist für die 64-Jährige Schluss. Sie kennt das Geschäft seit der Zeit als eine Videokassette mit einer halben Stunde Film noch 89 Mark gekostet hat. Auch heute gibt es noch Dinge, die sie nie verkaufen würde.
Emmi Huebl macht zum 1. Oktober Feierabend in ihrem "Intim-Shop". Foto: Carmen Schmitt


An ihrer Halskette baumelt ein Herz-Anhänger aus geschliffenem Glas. Ihr Alltag hat nicht nur mit Liebe zu tun, aber immer mit Lust. Emmi Huebl hat fast 30 Jahre lang Schwung in die Schlafzimmer des Landkreises gebracht. Jetzt will sie ihr Geschäft übergeben. Ob weich oder hart, groß oder klein, für Frau oder Mann - die 64-Jährige hat in ihrem Laden in der Hartmannstraße in Bad Kissingen für die verschiedensten Vorlieben etwas. Sie nennt ihren "Intim-Shop" einen "Spielzeugladen für Erwachsene". Wenn Emmi Huebl durch die Stadt geht, erkennt sie keinen ihrer Kunden, erzählt sie und zwinkert.

Eine halbe Stunde Gucken kostet fünf Euro. Hinter dem roten Vorhang stehen ein Drehstuhl und ein Röhrenfernseher im Stand-by-Modus. In der Halterung an der Wand liegt eine Papierrolle. Die bunten Lämpchen der Lichterkette reichen nicht ganz für Romantik. Das ist es auch nicht, wofür die Kunden zu ihr kommen.

Erstes Gebot: Verschwiegenheit
Als "Eheberaterin" hat sie in den vergangenen drei Jahrzehnten schon die ein oder andere Partnerschaft wieder in Gang gebracht. "Nehmt eine Kleinigkeit mit und redet darüber", rät sie den Männern und Frauen, die zu ihr kommen. "Wenn man sieht, was in vielen Partnerschaften schief läuft - das ist traurig." Sie freut sich, wenn sie Menschen glücklich macht. Die Beratung ist das, was ihre Kundschaft schätzt, erzählt sie. Nach 30 Jahren hat sie ein Gespür dafür, ob sich jemand schämt. Viele muss sie aus der Reserve locken. "Um das Richtige verkaufen zu können, muss ich wissen, was sie wollen und für was sie es wollen." Die Hemmschwelle sei immer noch groß und die Gesellschaft noch nicht so offen, wie die Menschheit vielleicht denke, meint sie.

"Man muss den Leuten entgegenkommen und die Dinge beim Namen nennen", sagt Emmi Huebl. Das ist es auch, was sie ihrem Nachfolger rät, den sie gerade aussucht. Ein anderes wichtiges Gebot für die 64-Jährige: Verschwiegenheit. "Die Leute wissen, dass sie mir alles erzählen können." Sie vertrauen darauf, dass nichts den 50 Quadratmeter großen Laden verlässt. Und das schon seit 1986.

In Männerwelt behauptet
Damals hat sie den Sex-Shop in der Theresienstraße übernommen. Sie war frisch geschieden und wollte etwas Eigenes. Seitdem hatte sie die Verantwortung für das Geschäft immer allein getragen. Am Anfang war es nicht leicht, sich als Frau in dieser "Männerwelt" zu behaupten. "Man wird erstmal ignoriert. Irgendwann haben dann auch die Lieferanten gemerkt, dass ich mich durchsetzen kann." Sie fing mit ein paar Filmchen und einer Puppe an. Im Jahr der Wende zog sie in die Hartmannstraße um, wo der "Intim-Shop" heute noch ist. In der "heiligsten Straße Bad Kissingens", sagt sie und schmunzelt.

Mit den Nachbarn gab es nie große Probleme. Schwieriger war es, einen Vermieter zu überzeugen. Ja, meint sie, Gerede gab es schon. Anwohner hatten Angst, dass sie einen Puff eröffnen will. Die Kripo stand regelmäßig vor der Tür, mehrmals ist bei ihr eingebrochen worden. Mit den Jahren ist es ruhiger geworden, sagt sie.

Ob es etwas gibt, das sie nicht verkaufen würde? "Oh ja, damit hätte ich ein Heidengeld verienen können." Aber Viagra und sonstige Aufputschmittel gehen bei ihr nicht über die Theke. Das Risiko sei ihr zu hoch. Jedes Teil, das in ihren Regalen steht, hat sie auf Messen ausgesucht. Sie achtet darauf, dass ihr Laden gut sortiert ist. Jedem "überteuerten Trend" hechelt sie nicht hinterher. Sie weiß, was bei ihren Kunden ankommt und was nicht. Und die mögen es, dass sie bei ihr einkaufen können "wie früher" - ohne Hektik.

"Ich finde es schlimm, dass die Leute Angst vor den Leuten haben", sagt Emmi Huebl. "Und wenn mich jemand sieht, der mich kennt", meinte ein Kunde einmal. "Dann bring ihn das nächste Mal einfach mit", war ihre Antwort.
Zum 1. Oktober schließt Emmi Huebl ihren "Intim-Shop". Dann freut sie sich aufs Ausschlafen, auf ihre Enkel, die Kinder und die Freundinnen. Im Fitnessstudio will sie sich auch anmelden. Sie macht sich keine Sorgen darüber, dass dem Nachfolger ihres Ladens die Kundschaft ausgeht. "Die Gefühle sind da, ob jemand 20 ist oder 80." Immerhin, ihr ältester Kunde war 92.