Integration in Bad Kissingen: Zwei Sprachen, eine Familie
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Freitag, 12. April 2013
Familie Arnold lebt Integration vor. Als gelernte Dolmetscherin weiß Mutter Tanja, wie wichtig Sprache für gegenseitiges Verständnis ist. Gutes Essen hilft aber auch.
Mittagessen bei Familie Arnold in Waldfenster: Mama Tetyana, kurz Tanja, hat eines ihrer Lieblingsgerichte aus der ukrainischen Heimat zubereitet. Es gibt Borschtsch, eine Gemüsesuppe mit ordentlicher Einlage. Die dreijährige Elena ruft zu Tisch: "Papa, kuschat`! Papa, Essen!" Das Ehepaar Arnold erzieht ihre Töchter zweisprachig - in deutsch und russisch. "Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man das machen. Die Kinder haben dadurch viele Vorteile", meint Vater Bernd.
Tanja ist staatlich geprüfte Dolmetscherin für beide Sprachen. "Die Erziehung muss nur strukturiert ablaufen, dann ist das kein Problem." Es dürfe kein Mischmasch gesprochen werden, sondern müsse immer klar getrennt sein. "Wenn ich mit meinen Kindern russisch rede, benutze ich nur russisch und vermeide deutsche Ausdrücke", sagt die 30-Jährige. Hauptsprache im Waldfensterer Familienleben ist aber deutsch - Tanja hat ihre Verwandtschaft in der Ukraine zurückgelassen. Ihre Eltern kommen alle Jahre zu Besuch. "Meine Frau ist die einzige, die mit den Kindern russisch spricht", sagt Bernd. Deshalb bieten sie jetzt eine russischsprachige Krabbelgruppe im Mehrgenerationenhaus an, damit die Töchter die Sprache besser lernen können.
Elena und Schwesterchen Antonia wachsen nicht nur zweisprachig, sondern auch mit zwei Kulturen auf. Das fängt beim Kochen an und hört beim deutsch-ukrainischen Weihnachtsfest auf. "In der Ukraine ist Heiligabend am 6. Januar. Bei uns steht der Weihnachtsbaum deshalb immer etwas länger", erzählt Bernd Arnold.
Akzeptanz, nicht Anpassung
"Integration heißt immer ein Stück weit aufeinander zugehen", sagt die Migrationsbeauftragte des Diakonischen Werks Margit Höhn. Integration heiße dagegen nicht, sich vollständig zu assimilieren, sondern bedeute auch, akzeptiert zu werden.
Margit Höhn hilft seit 1993 Aussiedlern und Migranten, in Bad Kissingen ein neues Leben zu beginnen. "Die Leute suchen eine Heimat. Sie wollen einen Platz haben, an den sie hingehören. Das steckt in jedem Menschen drinnen." Dazu gehören eine Wohnung, Arbeit und ein soziales Umfeld. Dinge, die einem nicht automatisch in den Schoß fallen, wenn man frisch ausgewandert ist. "Ich verstehe mich so, dass ich sie am Anfang ein Stück weit an der Hand nehme", lautet Höhns Ansatz.
Die gebürtige Brandenburgerin weiß, wie es sich anfühlt, irgendwo fremd zu sein. Vor der Wende Ende arbeitete sie für die Diakonie in Eisenach und zog kurz vor dem Mauerfall mit ihrer Familie nach Bad Kissingen.
Dass sie dort zunächst arbeitslos war, war für Höhn ein Schock: "Arbeit war für mich immer ein wichtiger Bestandteil." Sie erkundigte sich beim evangelischen Pfarramt nach einer Stelle. Weil nach der Wende die Leute scharenweise aus der ehemaligen DDR in Bad Kissingen ankamen, wurde sie von der Diakonie beauftragt, sich um diese Menschen zu kümmern. "Aus dieser Arbeit ist schnell die Arbeit mit Migranten entstanden", meint sie rückblickend.
Im Laufe der Jahre kam Margit Höhn mit den Migranten intensiv in Kontakt. "Ich bin neutral und arbeite bei der Kirche. Da bauen die Leute schnell Vertrauen auf", sagt Höhn.
Sie erzählt, dass sie besonders das Erfahren anderer Kulturen schätzt. Hindernisse im Umgang ergeben sich für sie kaum. Dolmetscherin Tanja Arnold weiß warum: "Interkulturelle Probleme entstehen nicht, wenn man offen aufeinander zugeht und versucht, sich richtig zu verstehen."
Migration und Integration im Landkreis: Ein kleiner Überblick
Bad Kissingen Über zehn Prozent der Stadt- und Landkreisbevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Vor 20 Jahren hat das Diakonische Werk eine Beratungsstelle eingerichtet. 2012 hat die "Beratungsstelle für erwachsene Migranten" 126 Familien betreut.
Herkunft Die meisten Zuwanderer (70 Prozent) stammen aus den ehemaligen GUS-Staaten (Länder der ehemaligen Sowjetunion wie Polen, Ungarn, Rumänien, Tschechien, Bulgarien). 19 Prozent sind Angehörige aus EU-Staaten. Aus Afrika , Asien und Lateinamerika stammen die übrigen elf Prozent.
Krabbelgruppe Jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat veranstaltet das Ehepaar Arnold eine offene russisch-sprachige Krabbelgruppe im Mehrgenerationenhaus Bad Kissingen. Beginn ist jeweils um 15.30 Uhr.