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"In der virtuellen Welt austoben"


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

Bad Kissingen, Dienstag, 18. Oktober 2022

"Gaming ist mehr als reines Zocken", findet Medienfachberater Mirko Zeisberg. Ein Gespräch darüber, was Jugendliche beim "Ballerspiel" lernen können.
Mirko Zeisberg an seinem Computer   Foto: Verena Rempel


Games und Jugendarbeit, damit kennt sich Mirko Zeisberg aus. Der Medienfachberater des Bezirksjugendrings von Unterfranken organisiert gemeinsam mit der Stadt Bad Kissingen den Fachtag Games im Jugend- und Kulturzentrum Bad Kissingen für Fachkräfte der Jugendarbeit.

Was zocken Jugendliche 2022?

Mirko Zeisberg: Sie spielen unterschiedliche Sachen, vor allem das, was sie interessiert. Beim Klassiker "Minecraft" kann man zum Beispiel eigene virtuelle Welten aufbauen. Häuser, Höhlen oder einen kompletten Urwald. Das kann man sich vorstellen, wie wenn man mit Legosteinen bauen würde, nur eben virtuell. Zuerst plant man, wie man etwas bauen würde und versucht dann, das virtuell zu übersetzen. Das ist sehr kreativ.

Es gibt auch einen Survivalmodus, dabei wird man in eine Welt geworfen und muss in dieser überleben. Man baut ein Haus, macht Feuer und es gibt Tiere, die einem schaden wollen.

Das Spiel "Sims" spricht tendenziell eher Mädchen an. Man steuert dabei das Leben verschiedener Charaktere und bestimmt, wann sie schlafen, zur Arbeit gehen, Kinder kriegen oder welchen Luxus man ihnen gönnt. Man kann sich in der virtuellen Welt austoben, auch Aliens besuchen oder in den Weltraum fliegen.

Was ist mit den Ballerspielen?

Nennen wir sie Shooter. Es gibt zum Beispiel "Fortnite" oder "Call of Duty". Da geht es um Taktik und Teamspirit. Wenn ich mit anderen etwas erreichen will, muss ich mich über den Voicechat absprechen. Wenn ich allein spiele, überlege ich mir eine Taktik, wie ich besser werde als die anderen.

Die sind immer wieder in der Kritik.

Das Problematische daran sind beispielsweise abgebildete Kriegsszenarien. Ob das so eins zu eins abgebildet werden muss, darüber kann man reden. Das ist jedoch eher zweitrangig zu sehen.

Was Jugendliche triggert, ist die Möglichkeit, sich mit anderen zu messen. Sie denken darüber nach, mit welcher Taktik sie gewinnen. Das kann man mit Lasertag vergleichen. Da gehe ich auch nicht hin, um Leute abzuschießen, sondern für das Teamfeeling.

Beim Spiel "Overwatch" gibt es verschiedene Rollen, die man spielen kann. Da kann man testen, was man besonders gut kann. Man kann zum Beispiel Sanitäter werden. Dann bin ich dafür zuständig, andere am Leben zu erhalten.

Sprechen wir übers Geld. Kaufen sich Jugendliche noch Spiele oder werden die kostenlos angeboten und sie zahlen dann während des Spielens?

Das kommt aufs Spiel an. Um etwa das Rennspiel "Forza Horizon" zu bekommen, zahlt man 60 Euro.

Der Trend geht aber immer mehr zum Micropayment. Das heißt, man kann ins Spiel einsteigen, ohne Geld auszugeben. Es gibt dann aber Erweiterungen, die ich kaufen kann. Da geht es dann für die Produzenten um die Frage, möglichst viel Geld rauszuholen. Ob das eine gute Entwicklung ist, ist fraglich.

Was sind das für Erweiterungen?

Bei guten Spielen muss man nur für kosmetische Sachen zahlen. Man zahlt dann dafür, dass die Waffe oder der Charakter anders aussieht. Es gibt auch Spiele, wo man mit Geld bessere Waffen kaufen kann. Das ist aber unfair.

Manchmal zahlt man auch dafür, dass man weniger Zeit braucht, um ein bestimmtes Level zu erspielen. Für Jugendliche ist es oft einfacher, die Zeit zu investieren, als Geld auszugeben.

Ich stelle mir die Oma vor, die ihrem Enkel zum Geburtstag 50 Euro schenkt und dann einen Monat später hört, dass das Geld für eine virtuelle Waffe ausgegeben wurde.

Es geht dabei um die Frage, was einem wichtig ist. Ist es mehr wert, weil ich es physisch kriegen kann? Oder langt es, wenn ich es virtuell habe und damit zufrieden bin, weil es mir gefällt.

Das ist sicher auch eine Generationsfrage.

Jugendliche wollen sich gut präsentieren. In den virtuellen Welten können sie sich austoben, hier haben sie die Möglichkeit die Dinge so zu gestalten, wie sie das wollen.

Die Tendenz geht in die Richtung Spiele nicht mehr auf physischen Datenträgern zu haben. Das hängt auch mit Nachhaltigkeit zusammen.

Welche negativen Einflüsse nehmen Sie bei den Games wahr?

Beim Thema Gender und queere Community. Viele Games sind nach klassischen Rollenbilder gestaltet: Der Mann ist muskelbepackt, mit einer fetten Axt. Die Frau muss gerettet werden.

Ich nehme aber auch eine positive Entwicklung wahr, zum Beispiel bei Tomb Raider, Lara Croft. Früher gab es in den Spielen eine sexististische Darstellung der weiblichen Formen. Nun gibt es die moderne Croft als Jugendliche, die sich durchbeißt und nicht auf Männer angewiesen ist.

Die erste Games-Fachtagung in Bad Kissingen läuft unter dem Motto "Spielerisch(e) Räume schaffen". Was für Räume meinen Sie da?

Es geht um Räume für die eigene Kreativität. Zum Beispiel lässt sich eine VR-Brille selbst bauen oder mit Kodu kann man eigene Computerspiele machen.

Das Gespräch führte Charlotte Wittnebel-Schmitz.

Fachtagung

Im Rahmen des Festivals "KGames" findet am Mittwoch, den 19. Oktober, im Jugend- und Kulturzentrum der Stadt Bad Kissingen (JuKuZ) die erste Fachtagung zum Thema Games in der

Jugendarbeit in Unterfranken statt. Ziel des ersten Fachtages ist die Qualifizierung von Fachkräften aus der Jugendarbeit, Lehrkräften und Interessierten.