Druckartikel: In 50 Jahren vom Lehrmädchen zur Chefin

In 50 Jahren vom Lehrmädchen zur Chefin


Autor: Sigismund von Dobschütz

Bad Kissingen, Donnerstag, 31. Juli 2014

Martha Müller begann vor 50 Jahren ihre berufliche Karriere in der Steuerkanzlei Müller.
Martha Müller (64) berät seit 50 Jahren in Steuerfragen. Foto: ksvd



Am 1. August ist es 50 Jahre her, dass die damals 14-jährige Martha Huber in Hammelburg ihre Lehrstelle bei Steuerberater Bernd Müller antrat. Heute ist sie nicht nur seit über drei Jahrzehnten seine Ehefrau, sondern schon seit einiger Zeit alleinige Inhaberin der bekannten Steuerkanzlei mit ihren 13 Mitarbeitern.
"Müller stand erst an dritter Stelle." Damit meint Martha Müller nicht ihren Ehemann, sondern jene drei Firmen, die sie 1964 auf Empfehlung des

Arbeitsamtes mit ihrem Vater auf der Suche nach einer Lehrstelle abklapperte. Gerade hatte die 14-Jährige ihren Volksschulabschluss in Thulba gemacht, wo sie mit den Eltern und drei Brüdern lebte. Vater und Mutter waren beide 1946 als Deutschstämmige aus Ungarn vertrieben worden und hatten sich nach ihrer Hochzeit in Thulba eine neue Existenz aufbauen müssen. "Da blieb kein Schulgeld für die weiterführende Schule."

Strebsames Lehrmädchen

Also begann Martha ihre Ausbildung zur Steuerfachgehilfin in der Steuerkanzlei Müller, damals noch in Hammelburg. Nach der Ausbildung wurde das strebsame Lehrmädchen 1967 vom Chef übernommen. Bald darauf machte sie nebenberuflich noch die Mittlere Reife: "Ich wollte einfach weiterkommen." Von 1973 bis '79 arbeitete sie in Müllers Würzburger Büro. 1980 machte die nun Dreißigjährige ihre Prüfung zur Steuerbevollmächtigten und kehrte in die Zentrale zurück, die gerade nach Bad Kissingen verlegt worden war und seit 1981 ihren Sitz in der Frühlingstraße hat.
Die räumliche Nähe zu Kanzleiinhaber Bernd Müller war gewollt. Denn über die Jahre der täglichen Zusammenarbeit hatte sich ein Liebesverhältnis zwischen dem Chef und seiner 18 Jahre jüngeren Mitarbeiterin entwickelt. Die gemeinsame Tochter Heidrun war schon geboren. Jetzt wollte sie heiraten, "bevor unsere zweite Tochter unehelich geboren wurde", erinnert sich Martha Müller.
1981 wurde also geheiratet, 1982 kam Tochter Antonie zur Welt. In den folgenden drei Jahrzehnten "stand ich immer eine Stufe hinter ihm". Bernd Müller warb die Kunden an, das Team um Ehefrau Martha, die 1986 noch die Prüfung zur Steuerberaterin abschloss, machte die Kleinarbeit. "Ich habe nie die Chefin raushängen lassen", beschreibt Martha Müller. "Wir haben Hand in Hand gearbeitet, aber mein Mann gab die Richtung vor." Erst seit wenigen Jahren hat sich dies allmählich geändert. Heute bestimmt Martha Müller allein die geschäftliche Ausrichtung der Kanzlei.
Ihre Fachkenntnisse sind überall willkommen. So ist Martha Müller als Kassier oder Schriftführerin Mitglied "in mindestens 15 Vereinen". Ihr "liebstes Kind" ist der Förderverein Kissinger Sommer, den ihr Ehemann vor 26 Jahren mit gründete. "Ich bin überall gern dabei." Sie engagiert sich zum Wohl ihrer Heimatstadt, aber auch nicht ganz uneigennützig: "Ich bin an allem interessiert und will informiert sein." Seit 2012 sitzt sie für die DBK im Stadtrat und ist Mitglied im Finanz- und im Wirtschaftsausschuss. "Eine neue Erfahrung: Man lernt, wo Wünschenswertem Grenzen gesetzt sind."
Privat kennt Martha Müller kaum Grenzen: "Zuhause haben wir ein offenes Haus." Da zeigt sich die ungarische Gastfreundschaft. Sie sei "lebensoffen und lebensfroh", sagt sie über sich. Deshalb denkt die 64-Jährige noch lange nicht ans berufliche Ende. "Ich mache noch ein paar Jahre - vielleicht bis meine 60 Arbeitsjahre voll sind."