Druckartikel: Immer der Nase nach: Lebensretter auf vier Pfoten

Immer der Nase nach: Lebensretter auf vier Pfoten


Autor: Carmen Schmitt

Bad Brückenau, Donnerstag, 23. Februar 2017

Die Rettungshundestaffel vom Roten Kreuz wird gerufen, wenn Menschen verloren gehen. Ein besonderes Talent der Tiere kann kein Mensch toppen.
"Ayk", schwarzer Labrador, sechs Jahre alt, Rettungshund: Mit seinem Herrchen, Thomas Schuhmann (Mitte), ist er im Einsatz, wenn Menschen bei der Polizei als vermisst gemeldet werden und die Beamten ihre Hilfe brauchen. Anja Schneider leitet die Rettungshundestaffel des Kreisverbandes des Roten Kreuzes seit diesem Monat. Erich Mock (im Hintergrund) ist ihr Stellvertreter. Fotos: Carmen Schmitt


"Ayk" flitzt über die Bohle. Thomas Schuhmann reißt den Zeigefinger hoch. "Halt", ruft er. Der schwarze Labrador stoppt, wartet auf einer Brücke aus zwei alten Fässern und ein paar Holzbrettern auf das nächste Kommando seines Herrchens. Was aussieht wie ein Spiel, soll im Notfall dabei helfen, Leben zu retten. An Ayks Halsband baumelt eine silberne Marke. In der Mitte ein rotes Kreuz. Der sechsjährige Rüde wird gerufen, wenn die Polizei nach vermissten Menschen sucht. "Ayk" ist einer von 24 Rettungshunden der Hundestaffel des Kreisverbands Bad Kissingen des Roten Kreuzes. Kein Mensch ist zu dem fähig, was er kann.

Demenzkranke, Kinder, Jogger, Suizidgefährdete - geht ein Mensch verloren, wird die RHS (Rettungshundestaffel) von der Polizei oft zur Hilfe gerufen. Besonders, wenn das Gelände, auf dem die Vermissten sein könnten, für die Beamten im Hubschrauber undurchsichtig ist. Dann streifen Hunde und Hundeführer zum Beispiel durch dichte Fichtenwälder. Seit 1991 gibt es die Staffel beim BRK Bad Kissingen, ihre Station ist in Bad Brückenau. Seit Anfang des Monats haben die Ehrenamtlichen eine neue Leiterin.


Tiere mit Talent

Anja Schneider aus Ebenhausen ist zur neuen Staffelleitung gewählt worden. Die 36-Jährige engagiert sich seit 2010 in der RHS. "Man will etwas machen, das etwas nützt. Irgendwann hatte ich den Eindruck, dass mein Hund mehr kann. Dieses Talent wollte ich nicht vergeuden", sagt sie. "Dana", ihr achtjährger Golden Retriever, ist seit zwei Jahren dabei. Der zweijährige "Henry", benannt nach Henry Dunant, Begründer des jetzigen Roten Kreuzes, trägt noch keine Marke am Hals. Er ist wie neun andere Hunde der Staffel noch in der Ausbildung.

Zweimal pro Woche geht es zum Training. "Das reicht aber nicht", sagt Erich Mock. Der 55-jährige ist seit 1999 bei der Staffel. Damit das "Hund-Mensch-Team" funktioniert, braucht es Zeit, meint er. "Das muss sich jeder selber erarbeiten." Bis Hund und Herrchen ausgebildete Einsatzkräfte sind, dauert es zweieinhalb bis drei Jahre. Alle 18 Monate müssen die Hunde die Prüfung neu ablegen. "Wie beim Tüv", sagt Erich Mock. "Es geht um Menschenleben. Man muss sich darauf verlassen können", sagt Thomas Schuhmann.

"Das Ziel ist der Einsatz, nicht den Hund zu bespaßen", sagt Anja Schneider, die mit vier anderen Herrchen und Tiere ausbildet. Künftige Hundeführer sind ausgebildete Sanitätshelfer. Sie lernen das Funken, verschiedene Einsatztaktiken, sich mit Karte und Kompass zu orientieren und wie sie mit ihrem Hund umgehen. Gehorsamkeitstraining steht auf dem Stundenplan. Geübt wird auch, wie der Hund "sauber anzeigt", also bellt, sobald er jemanden aufgespürt hat. Das gelingt ihm aufgrund seines empfindlichen Riechorgans um ein Vielfaches besser als jedem Menschen.


Wie reagiert der Hund?

Bevor aus einem Hund ein Rettungshund werden kann, muss der einen Eignungstest bestehen. Sein Wesen wird unter die Lupe genommen: Reagiert der Hund freundlich gegenüber Menschen? Wird er aggressiv? Wie verträgt er Lärm? Und: Wie wichtig ist ihm Belohnung?

Der Spiel- und Futtertrieb sei für den Arbeitswillen ausschlaggebend, meint Erich Mock. Nur dann kann der Hund lernen.

Im vergangenen Jahr hat die Polizei die Rettungshundestaffel 21 Mal alarmiert. Die Hundeführer rücken auch landkreisübergreifend aus: Ansbach, Coburg, Schweinfurt. Als im Sommer vergangenen Jahres die Schraudenbach-Talbrücke eingestürzt war, waren sie im Einsatz.

Spätestens nach einer Stunde brauchen die meisten Hunde Zeit zum Ausruhen. "Das kostet sie ganz viel Kraft", sagt Thomas Schuhmann, der "Staffel-Opa", wie er sich nennt. Kraft brauchen auch die Hundeführer. Seit 18 Jahren ist Thomas Schuhmann bei der RHS. Werden die Einsätze zur Belastung, kümmert sich ein Seelsorger um die Ehrenamtlichen. "Die Gruppendynamik wickelt den Redebedarf ab", sagt Erich Mock. "Und: Wir sind ja nicht mittendrin wie die Feuerwehr. Wir suchen nach einer Person, die nicht da ist." Dass die Einsatzstaffel jemanden findet, kommt selten vor. In der Regel geht sie leer aus. Erich Mock, selbst Polizist, erklärt: "Die Polizei geht nach dem Ausschlussverfahren vor. Es wird alles abgecheckt."

Ayk, der schwarze Labrador- Rüde, springt vom Holzbrett auf die aufgeweichte Wiese. Feierabend. Das Training ist zu Ende. Die Ausbildung nie. Damit er bereit bleibt, um im Notfall Leben retten zu können.