Druckartikel: Im Glauben unterwegs

Im Glauben unterwegs


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Sonntag, 29. Juni 2014

Pilger wie Petra Städter, Marco Firnges, Erhard Rohde und Lothar Feistner finden eine neue Bleibe im Bad Kissinger Gemeindezentrum. Die Idee kommt gut an.


Ausgerechnet aus dem evangelischen Frielendorf in Nordhessen kamen die ersten Jakobuspilger, die im neuen Pilgerzimmer des katholischen Gemeindezentrums in Bad Kissingen übernachteten. "Martin Luther hatte zwar seine Probleme gerade mit dem Grab des heiligen Jakobus, aber in der evangelischen Kirche ist das Pilgern neu entdeckt worden", sagt Pfarrer Marco Firnges, der die zehnköpfige Pilgergruppe anführt.

Das Pilgerzimmer überließen die Pilger den Frauen, einige Männer übernachteten in der Kegelbahn, ein Teil der Gruppe mietete sich in einer Pension ein.

"Tourist verlangt, Pilger dankt"

"Der Tourist verlangt, der Pilger dankt", sagt Firnges über die Erwartungen. Als Pilger suche er das einfache Lager, auch wenn er sich ein Hotel hätte leisten können. "Wir merken auf unserem Weg auch, mit wie wenig wir auskommen", sagt der Geistliche, der ein begeisterter Pilger ist: Gleich mit mehreren Gruppen läuft er Etappen des Jakobusweges. Die aktuelle Gruppe startete in Gersfeld und übernachtete in Oberweißenbrunn, Premich und Bad Kis singen. Die letzte Etappe ging bis Poppenhausen, von wo aus die Pilger mit der Bahn nach Hause fuhren. Im kommenden Jahr soll es von Poppenhausen in Richtung Süden weitergehen.
"Wir haben hier eine große Gastfreundschaft erlebt", ist Firnges dankbar für die Unterkünfte. Das neue Pilgerzimmer neben der Herz-Jesu-Kirche sei damit "ökumenisch eingeweiht" worden. Dass immer mehr Protestanten das Pilgern für sich entdecken, ist für Elisabeth Alferink aus Bad Brückenau keine Überraschung. Elisabeth und Werner Alferink gehören zu den Pilger-Pionieren: "1976 sind wir zum ersten Mal den Jakobusweg von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela gegangen", erzählt sie. Auslöser war ausgerechnet ein protestantischer Verwandter, der bei einer Konfirmation vom Pilgern schwärmte. Alferinks nahmen vier Wochen Urlaub und testeten es selbst.
"Wenn man den Pilger-Virus einmal hat, dann bleibt man dabei", steht für Elisabeth Alfe rink fest. 1988 gründete die Alferinks mit Gleichgesinnten die Fränkische Jakobusgesellschaft, die schon tausenden von Pilgern geholfen hat. Ihr Mann Werner ist heute Ehrenvorsitzender. Und was bedeutet das Pilgern für die 78-Jährige? "Jeder hat seine eigene Motivation, aber man merkt unterwegs, was man wirklich braucht, und man ist bereit, loszulassen", erzählt Elisabeth Alferink.
Mehr als 7100 Gästebetten gibt es in Bad Kis singen. Demnächst kommen offiziell zwei weitere dazu: "Wir hatten die Idee, ein Pilgerzimmer einzurichten", berichtet Dekan Thomas Keßler. Dabei geht es der katholischen Pfarrgemeinde nicht etwa um eine Konkurrenz zu Hotels und Pensionen, sondern um eine einfache Bleibe für Gläubige, die auf dem Jakobus- oder dem Fränkischen Marienweg unterwegs sind.

Aus der Mobiliar-Versteigerung

"Bis jetzt haben die Pilger immer am Pfarrhaus geklingelt", erzählt Dekan Keßler, und: "Der Bedarf ist da." Weggeschickt sei auch bislang niemand geworden: Entweder gab es ein Plätzchen direkt im Pfarrhaus oder es wurde eine Herberge vermittelt. "Aber da wird man ja arm dabei", verweist Keßler darauf, dass Pilger nicht jede Nacht teuer bezahlen wollten.
Bad Kissingen biete sich als Etappe auf dem Jakobus-Hauptweg zwischen Fulda und Würzburg an: "Vom Kreuzberg nach Bad Kissingen ist es ja ein guter Tagesmarsch." Die Zahl der Pilger sei sehr unterschiedlich: "Einmal kommt eine ganze Gruppe, dann kommt mal lange keiner", sagt Keßler.
Das neue Pilgerzimmer ist das alte Domizil der KJG. "Der Raum wurde zehn Jahre lang als Abstellkammer genutzt, hier hat's ausgeschaut, wie es bei der Jugend eben manchmal ausschaut", sagt Hausmeister Franz Friedel. Der 65-Jährige hat lange als Portier gearbeitet. Jetzt, als Rentner, kümmert er sich als Hausmeister um das katholische Gemeindezentrum. "Ich bin schon immer Hobby-Handwerker", erzählt er und beschreibt, was er alles in dem Raum auf Vordermann brachte: Die Tapeten mussten alle runter, das Holz aufgearbeitet werden, an der Decke hängt einer der vernetzten Rauchmelder.
"In den Umbau sind schon 220 Arbeitsstunden geflossen", berichtet Franz Friedel. Damit die Kosten niedrig bleiben, löst Friedel sämtliche Rabatt-Marken im Baumarkt ein und sieht sich immer nach Schnäppchen um: Dabei wurde er unter anderem bei der Versteigerung des Mobiliars im ehemaligen Fünf-Sterne-Hotel "Steigenberger" fündig. Zwei Betten ersteigerte er dort. Für den Unkostenbeitrag von zehn Euro können die Pilger also in echten Fünf-Sterne-Betten schlafen.

Bereits 20 Märkte organisiert

"Die Matratze war gut", bestätigt Petra Städter, die bereits vor der geplanten offiziellen Eröffnung zum 1. Juli im Pilgerzimmer unterkam. "Die Tage davor gab's nur Isomatten", hatte die Pilgerin vor allem den direkten Vergleich zu anderen Herbergen in der Rhön. "Aber die Dusche fehlt halt noch", sagt Petra Städter. Da ist Hausmeister Franz Friedel gerade drüber: "Ich habe ja auch noch viele andere Aufgaben", verweist der 65-Jährige, dass er auch als Küster aushilft und deshalb der Umbau nur schrittweise vorangeht.
Finanziell gab es jetzt Unterstützung vom Flohmarkt-Kreis der Herz-Jesu-Gemeinde: 1000 Euro überreichten Dani Büttner, Holger Amthor, Barbara Grosse und Franz Grosse an Dekan Keßler. "Der Flohmarkt-Kreis hat sich aus dem Familienkreis gebildet", erzählt Dani Büttner von den Anfängen 2006. 20 Flohmärkte rund um die Herz-Jesu-Kirche haben die vier seitdem organisiert. Die nächsten Termine sind am 19. Juli und 23. August
"Der Erlös aus der Tischmiete fließt immer in unser Gemeindezentrum", gibt es seit jeher einen festen Verwendungszweck. Diese Unterstützung kann Kirchenpfleger Peter Kaidel auch bestens gebrauchen, schließlich renoviert die Pfarrgemeinde derzeit die Marienkapelle und die Jakobuskirche. Und im Gemeindezentrum mussten vor kurzem Heizung und Brandmeldeanlage erneuert werden.

Jakobusweg Der mit einer Muschel markierte Jakobusweg ist der bekannteste Pilgerweg überhaupt. Durch den Landkreis führt der Jakobus-Hauptweg Fulda-Würzburg: Er kommt von Norden über den Volkersberg und den Kreuzberg, durch Premich und Frauenroth nach Bad Kissingen, weiter geht es vorbei am Wittelsbacher Turm nach Poppenhausen, Schweinfurt und Würzburg. In Bad Kissingen mündet zudem der 63 Kilometer lange Jakobus-Nebenweg aus Irmelshausen im Landkreis Rhön-Grabfeld in den Hauptweg. Zudem gibt es einen Nebenweg von Heufurt durch Oberweißenbrunn auf den Kreuzberg (37 Kilometer).

Marienweg Der zweite große Pilgerweg im Landkreis ist der Fränkische Marienweg. Er verbindet 50 Wallfahrtsorte in der gesamten Diözese Würzburg, darunter neun im Landkreis Bad Kissingen: Der Marienweg führt von Bad Neustadt nach Maria Bildhausen bei Münnerstadt, danach geht es zur Kirche in Fridritt, der Talkirche Münnerstadt, dem Terzenbrunn, der Marienkapelle Bad Kissingen, nach Windheim, Unterebersbach und über den Kreuzberg auf den Volkersberg. Von dort ist ein Abstecher zu Maria Ehrenberg möglich, der eigentliche Pilgerweg führt zu Maria Steinthal bei Hammelburg und weiter nach Süden.