Druckartikel: Im Alter droht die Armut

Im Alter droht die Armut


Autor: Edgar Bartl

Bad Kissingen, Samstag, 13. Oktober 2012

Ein Lebensabend in Würde? Vor allem auf Geringverdiener, längere Zeit Arbeitslose und Erwerbsgeminderte kommen schwere Zeiten zu. Zahlen sie nicht genügend in die Rentenkasse ein, müssen sie darben.
Die Kissinger Tafel versorgt Empfänger von Grundsicherung und  Hartz IV mit Lebensmitteln.  Foto: Bartl


Dass - in einem der reichsten Länder der Welt - die Altersarmut steigen wird, ist nicht nur eine Schande, sondern sicher. Deshalb müssen die Sozial ämter die Rente vieler Senioren auf im Durchschnitt 650 Euro aufstocken, um ihren grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt zu sichern.

Zum Leben zu wenig ...


Eva Schmitt und Marion Griener sind beim Roten Kreuz die Ansprechpartner für Arme. Sie schildern einen Fall aus der Praxis: Anna B. (64) hat aus gesundheitlichen Gründen in den vergangenen Jahren nicht mehr arbeiten können. Sie bezieht "eine ganz geringe Rente", sie hat sich so durchgeschlagen, sagt Marion Griener. Sie gehe von Amt zu Amt, sei "völlig verzweifelt".

Geringverdiener - unter 2000 Euro im Monat brutto - werden von Altersarmut besonders betroffen sein. Außerdem langt der Staat Rentnern verstärkt in die Tasche: Mehr als 2,6 Millionen Senioren müssen Steuer zahlen. Das Rentenniveau soll von 51 Prozent auf 43 Prozent des letzten Nettoeinkommens sinken. Daran ändert die Riester-Rente nichts. Zum einen können viele Menschen sich diese private Vorsorge gar nicht leisten, zum anderen würde sie auf die Grundsicherung angerechnet.

Anna B. hat die Wahl: Ein Lebensabend ohne jegliche Annehmlichkeit - oder sie beantragt Grundsicherung. Die würde ein Minimum gewährleisten.



"Das sind die echten Armen", sagt Landratsamtssprecher Stefan Seufert zu den Beziehern. 317 sind in der Behörde gemeldet, verlässliche Vergleichszahlen aus den Vorjahren kennt Seufert nicht. Er wisse auch nicht, wie hoch die Dunkelziffer sein könnte: Viele Ältere hätten wohl Hemmung, die staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen.

Nicht aus Jux und Tollerei


Ein Patentrezept kennt Gerhard Stein (Deutsche Rentenversicherung Bund, DRV) auch nicht. Er berät seit 1999 in Rentenfragen, hilft beim Ausfüllen der Rentenanträge. Nach seinen Angaben hat ein Drittel der Senioren einen Nebenjob: "Wir hatten noch nie so viele beschäftigte Rentner wie heute". Die täten das "nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie es müssen, um die Rente aufzubessern." Das sei absehbar gewesen seit der rot-grünen Rentenreform, bei der der demographische Faktor - längere Lebenszeit, geringerer Anspruch - eingebaut worden sei, sagt Gerhard Stein. Jetzt komme die Besteuerung hinzu, die Jahr für Jahr ansteige. Sein Vorschlag: Ein 400-Euro-Job, "das ist das Einzige, was wir haben." Er könne nur eine Zusatzbeschäftigung empfehlen.

Vorsorge funktioniert nicht


Nach seiner Ansicht funktioniert eine private Vorsorge nicht, weil die abhängig sei von Aktienfonds. Viel besser wäre es gewesen, die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken.

Das wird den Beziehern von Grundsicherung nicht helfen. Ihnen bleibt ein weiterer Weg zu einem etwas besser gefüllten Kühlschrank. Sie können sich einen Berechtigungsschein besorgen und sich bei der Kissinger Tafel mit Lebensmitteln eindecken. "Da haben wir etliche, vor allem ältere Frauen" aus der früheren Sowjet-Union, so Vorstandsmitglied Ursula Bürger.
Peter Bretscher kennt Zahlen, weist aber darauf hin, dass die Angaben nicht geeignet seien für belastbare statistische Aussagen. Insgesamt seien 231 Scheine ausgegeben worden, die zum Einkauf bei der Tafel berechtigten. Sie gelten für 400 bis 450 Personen. 194 Bedarfsgemeinschaften lebten in Bad Kissingen, die anderen in umliegenden Orten. 42 der Betroffenen erhielten Grundsicherung im Alter, 175 hingegen Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Diese Zahl sei seit einigen Jahren in etwa gleich geblieben, seit Monaten verzeichne man sogar einen Rückgang auf 160 Kunden. Peter Bretscher stellt klar: Die Grundsicherung sei nicht üppig, aber zum Leben durchaus ausreichend. Die Tafel sei da nur ein "Zubrot".