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"Ich will draußen arbeiten"


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Donnerstag, 26. Februar 2015

Die Lebenshilfe will mehr Menschen mit Behinderung in den normalen Arbeitsmarkt integrieren. Bruno Pereira ist der Erste im Landkreis.
Bruno Pereira (rechts) fühlt sich wohl im Café des Mehrgenerationenhauses. Hier bedient er gerade seine Patin Barbara Jäger (links) und Peter Pratsch von der Lebenshilfe Schweinfurt. Fotos: Ralf Ruppert


Vor sieben Jahren hat Bruno Pereira seine Arbeit in der Behinderten-Werkstatt Nüdlingen angefangen. In all der Zeit hatte der Reiterswiesener einen Traum: "Ich will draußen arbeiten", sagt der 28-Jährige und meint damit die Welt jenseits einer Einrichtung der Lebenshilfe Schweinfurt. Im vergangenen Jahr gab es dann eine erste Chance: Mehrere Mitarbeiter der Nüdlinger Werkstatt betreuten das Café im Mehrgenerationenhaus (MGH). Doch das Projekt scheiterte.

Jetzt ist Bruno Pereira alleine zurück, über das Modellprojekt "Eine Region wird aktiv - sozialraum-orientierte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung" .

Arbeit macht viel Freude

Bruno Pereira kam vor 13 Jahren aus Portugal nach Deutschland. In gut verständlichem Deutsch schwärmt er von seiner Heimat Reiterswiesen. Die meisten seiner Freunde seien nicht behindert, deshalb fühlte er sich auch in der Lebenshilfe-Werkstatt in Nüdlingen nicht so gut aufgehoben. "Ich wollte schon lange auf den freien Markt." Seit Beginn des Monats macht er ein Praktikum im MGH: "Das macht Spaß, und ich lerne neue Leute kennen", erzählt er lachend.
Der Kontakt mit dem MGH kam zwar über die Bewirtschaftung des Cafés zustande, seine neue Stelle beinhaltet jedoch mehr: Neben Kaffee-Kochen und Kuchen-Verteilen erledigt er Botengänge und begrüßt die Gäste. "Wo es brennt halt" werde er eingesetzt. Am 1. März beginnt das Modellprojekt, über das er in Vollzeit eingestellt ist.
Zu verdanken hat er die neue Stelle vor allem dem Heilpädagogen Peter Pratsch, der bei der Lebenshilfe für Behinderte in Schweinfurt das Projekt "Mensch inklusive - Arbeiten miteinander" ins Leben gerufen hat. "Es geht darum, dass Menschen mit Behinderung ihre Fähigkeiten gemeindenah in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes einbringen können", sagt der 57-Jährige. "Es geht nicht darum, möglichst viele aus der Werkstatt rauszubringen, die Werkstätten haben auch nach wie vor ihre Berechtigung", betont Pratsch, und: "Wir wollen Menschen mit Behinderung einfach eine zusätzliche Möglichkeit bieten."

Sorgen der Kollegen abbauen

Entstanden sei die Idee bereits vor rund acht Jahren in Bamberg: Nach positiven Erfahrungen mit dem Projekt "Integra Mensch" hat Pratsch das Projekt Ende 2012 nach Unterfranken übertragen. Mit Unterstützung des Bezirks sucht er nun in der gesamten Region Main-Rhön nach Teilnehmern: "Oft muss nicht nur der Chef überzeugt werden, sondern vor allem die Kollegen", berichtet er. Dabei sei ihm wichtig, dass die Mitarbeiter der Lebenshilfe niemandem den Arbeitsplatz wegnehmen, sondern anderen helfen. "Es geht dabei nicht um billige Arbeitsplätze, sondern darum, die Inklusion zu fördern." Eines der ersten Projekte war die Vermittlung einer jungen Frau in einem Supermarkt in Ebern. "Das klappt dort sehr gut, und die Kunden honorieren das auch", zieht Pratsch nach drei Jahren Bilanz.

Bereits 15 Menschen vermittelt

15 Menschen arbeiten mittlerweile im Rahmen des Projektes bei einem Unternehmen oder einer Kommune in der Region Main-Rhön: 15 von rund 1500 Mitarbeitern, die in den Landkreisen Bad Kissingen, Hassberge, Schweinfurt und Rhön-Grabfeld sowie in der Stadt Schweinfurt tätig sind. Angestellt bleiben die Mitarbeiter in der Werkstatt für behinderte Menschen. "Wir zahlen den Werkstatt-Lohn weiter und stellen den Betrag den Arbeitgebern in Rechnung", berichtet Pratsch. Die Unternehmen könnten die Hälfte der Summe dann von der Schwerbehindertenabgabe abziehen.
In den ersten beiden Jahren wird das Projekt über die Arbeitsagentur gefördert, zudem hilft die Allianz "Fachkräfte für Mainfranken", ein Zusammenschluss aus Gewerkschaft, Industrie- und Handelskammern und Arbeitsagenturen. Mit einigen Landkreisen gebe es bereits Kooperationsverträge, im Landkreis Bad Kissingen stehe das noch aus. Am Freitag wirbt Pratsch in der Bürgermeister-Dienstbesprechung für das Projekt. Zum Konzept gehöre auch, dass die Lebenshilfe mit den Partnern keine Arbeitsverträge, sondern Patenschaftsvereinbarungen schließt. Im MGH ist Barbara Jäger die Patin von Bruno Pereira. "Er weiß schon ganz gut, was seine Aufgaben sind", sagt sie nach den ersten Wochen. In den Monaten davor mussten die MGH-Mitarbeiterinnen nebenher das Café betreuen, das sei mit ständigen Störungen verbunden gewesen. Deshalb steht ihr Fazit schon jetzt fest: "Das ist eine große Entlastung für alle", freut sich Barbara Jäger über die Mitarbeit von Bruno Pereira.