"Ich liebe den Nahkampf"
Autor: Susanne Will
Bad Kissingen, Freitag, 15. Sept. 2017
Nieselregen, Highheels, Fans und Körbe: Dorothee Bär auf Haustür-Wahlkampf in Garitz.
Im Endspurt trägt Dorothee Bär keine Turnschuhe. Sie bleibt ihrer Linie treu: In hochhackigen Lackschuhe stöckelt sie von Tür zu Tür in Garitz, verteilt Glitzerbleistifte, kassiert Heiratsanträge, Wahlversprechen und Abfuhren. "Ich liebe den Nahkampf", witzelt sie und scheint das ernst zu meinen. In knapp einer Woche ist Bundestagswahl, die Kandidaten geben noch einmal alles.
Eigentlich könnte sich Dorothee Bär bequem zurücklehnen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und Digitales ist mit Listenplatz 3 bei der CSU auf einem sicheren Platz. "Darum geht es doch gar nicht. Ich will ein gutes Gesamtergebnis. Ich habe keinen Bock auf Opposition", sie kommt ein wenig außer Puste, der Berg in Garitz ist steil.
Junge Leute, alte Häsin
Kurz zuvor hat sie sich mit ihrem Wahlkampfteam in der Parkstraße getroffen, junge Leute und eine alte Häsin, die Bezirksrätin Karin Renner, auch Steffen Hörtler, CSU-Fraktionschef im Bad Kissinger Rathaus ist dabei. Alle bestücken sich mit Glitzerbleistiften, Kinderbüchern, Rucksäcken mit CSU-Aufdruck und dem Bayernplan. Aufgeteilt in Teams verschwinden sie in anonymen Hochhäusern oder Anliegerstraßen mit gepflegten Vorgärten, um dort Klinken zu putzen. Die 39-jährige Dorothee Bär biegt in die Straße Güßgraben ein. Bevor sie klingelt sagt sie: "Ich liebe das, es ist fast wie ein Blind Date." Nur: Daten will sich dort keiner mit ihr, der Türsummer schweigt. Auch im nächsten Haus wird es nicht wesentlich besser. Zwar krächzt die Gegensprechanlage, doch als Dorothee Bär sagt: "Hallo, hier ist Dorothee Bär, ihre Bundestagsabgeordnete, ich würde mich ihnen gerne vorstellen", erhält sie als Antwort: "Ich habe nichts."
"Fast wie ein Blind Date"
Egal, nächster Hauseingang, nächste Waschbetonplatten, doch Bär ist auch hier Profi, der Absatz verhakt sich nie. Eine frisch frisierte, flotte alte Dame öffnet, sie stützt sich auf einen Stock. Klar kenne sie die Frau Bär, strahlt sie die Politikerin an, die Glitzerbleistifte mit Bärs Schriftzug und einem Herz für die Heimatliebe, die nimmt sie gern, Farbe - weiß oder pink - ist ihr egal. Auffällig: Dorothee Bär macht keine Werbung für sich oder die CSU. "Es geht mir in erster Linie darum, dass die Menschen am 24. September zur Wahl gehen."An der nächsten Tür hat sie ein Heimspiel. Ihr öffnet Bernd Göller, er trägt Socken, hinter ihm liegt der Staubsauger im Flur. Das sieht nach einer denkbar ungünstigen Gelegenheit und einer zugeworfenen Tür aus, doch Göller strahlt, als er die dreifache Mutter sieht. "Endlich mal ne hübsche Politikerin, nicht so wie die Sahra Wagenknecht." Doch ihm geht es nicht nur ums Äußere: "Gut, dass sich ein Politiker mal nah ran wagt an die Wähler" und meint in Richtung Politikerin: "Sieht doch schon ganz gut für uns aus, oder?" Klar: Ein CSU-Wähler. Bär gibt sich neutral: "Schaumer mal." Als Göller vorschlägt, Schwarz-Gelb wäre doch "optimal", nickt sie leicht, diese Geste ist kein Statement, es könnte auch reine Freundlichkeit sein.