Druckartikel: ICE-Anschlag und falsches Attest? Justiz-Ärger für Bad Kissinger Querdenker

ICE-Anschlag und falsches Attest? Justiz-Ärger für Bad Kissinger Querdenker


Autor: Susanne Will

Bad Kissingen, Montag, 29. November 2021

Bald steht der 36-Jährige vor Gericht. Dass er mit einem falschen Dokument auf Demos war, dürfte nicht so schwer wiegen wie der andere Vorwurf.
Johann Fischer (Name geändert) steht unmaskiert zwischen zwei Polizisten. Links im Bild Dienststellenleiter Stefan Haschke. Foto: Susanne Will


Am 17. April 2021 zogen rund 200 sogenannte Querdenker mit Transparenten und Sprechchören gegen die Corona-Politik durch Bad Kissingen. Darunter auch Johann Fischer (Name geändert) aus Steinach, er hatte die Demo angemeldet. Eine vorgeschriebene Maske trug er keine. Doch das Attest, das ihn von der Maskenpflicht befreien sollte und das er der Polizei zeigte, war falsch. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, deshalb muss sich Fischer am 8. Dezember 2021 dafür verantworten. Dieses Verfahren jedoch dürfte Fischer nicht sehr jucken, sitzt ihm doch die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen eines anderen, größeren Falls noch im Genick. Er wird verdächtigt, am Anschlag auf die ICE-Strecke zwischen Waigolshausen und Gemünden teilgenommen zu haben.

Transparente auf den Gleisen

Rückblick: Am 6. Januar 2021 machten Corona-Leugner zum sogenannten "D-Day" mobil. Die Aktivist:innen waren der Überzeugung, sich von Corona-Regeln befreien zu müssen und machten deshalb mit Demonstrationen mobil. An diesem Tag fuhr außerplanmäßig auf der Bahnlinie zwischen Waigolshausen (Lkr. Schweinfurt) und Gemünden ein ICE. Der Zugführer erkannte zwar noch das plötzlich vor ihm stehenden Hindernis auf den Gleisen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig davor bremsen: Der ICE rauschte in ein großes, über die Schienen gespanntes Transparent, zusammengezimmert aus Holzlatten. Der Triebwagen wurde beschädigt, Menschen wurden nicht verletzt. Es wurden noch mehr dieser Transparente auf der Bahnstrecke gefunden, auf einem stand "Diesmal FAKE".

Spur nach Steinach

Die Kripo Schweinfurt gründet die Soko "Werntal" - und die Spuren führen zu Johann Fischer. Der 36-Jährige lebt in Steinach, ist von Beruf Verkäufer und war offensichtlich Administrator mindestens einer Chat-Gruppe bei Telegram - auf einem Kanal, in dem sich viele Querdenker, Corona-Leugner und andere trafen, die sich aus der Welt der Fakten verabschiedet haben. Auch Einträge, in denen der Holocaust geleugnet wurde, standen dort - ohne, dass jemand den Absender aus der Gruppe rausgeworfen hätte. Mittlerweile ist die Gruppe gelöscht.

Reichsbürger

Fischer ist nicht nur Querdenker, man darf ihn auch getrost als Reichsbürger bezeichnen. Der Tageszeitung "taz"sagte er auf die Frage, ob er selbst einer sei: "Wenn die Definition eines Reichsbürgers ist, dass er die Souveränität des deutschen Staats nicht anerkennt, dann ja." Seit April 2020 ist er für die Ordnungskräfte kein Unbekannter mehr, schließlich organisierte er in Bad Kissingen mehrere Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen.

Am 10. Januar, vier Tage nach dem ICE-Anschlag, durchsuchen in den frühen Morgenstunden Ermittler das Haus der Familie Fischer in Steinach. Sie beschlagnahmen Handys, Laptops und Tablets, Johann Fischer muss eine DNA -Probe abgeben.

Auch unsere Redaktion berichtete darüber. Die Reaktion in der Telegram-Gruppe: Der Artikel wurde dort geteilt, Fischer als Administrator versuchte, den Verdacht bezüglich des ICE-Anschlags auf die Antifa zu schieben. Wenige Tage später wurde die Gruppe gelöscht, es gebe eine "Durchseuchung" in ihr, so lautet einer der letzten Posts. Durchseucht hätten die Gruppe "Antifa, Polizei (Söldner), Verfassungsschutz und Spitzel".

"ICE-Aktion ist keine Gewalt"

Die "taz" hat Fischer gefragt, wo für ihn bei Protest und Radikalität die rote Linie verlaufe. Er sagte der Journalistin, er lehne Gewalt in jeglicher Form ab, aber "die ICE-Aktion ist für mich keine Gewalt".

Die Kripo ermittelte gegen Fischer wegen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr, die Ermittlungen der Polizei sind abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg entscheidet in diesen Tagen darüber, ob Anklage erhoben wird. Die Chance, dass Fischer vor einem Richter stehen wird, sehen Ermittler und Juristen als groß.

Vorformuliertes Attest

Doch davor kann Fischer schon mal üben: Am 8. Dezember steht er vor dem Bad Kissinger Amtsgericht. Es geht um seine beiden Demonstrationen im April 2021. Unter dem sperrigen Motto "Frieden, Freiheit, Souveränität, Wahrheit, für eine sorgenfreie Kindheit, Selbstbestimmung, Forderung Regierungs- und Systemwechsel" liefen mit ihm zweimal bis zu 200 Menschen durch Bad Kissingen - Fischer ohne Maske. Als er als Anmelder deshalb kontrolliert wurde, legte er laut Anklage ein Attest vor. Jedoch soll dieses Attest nach Ansicht der Staatsanwaltschaft "unrichtig" gewesen sein. Es habe sich dabei um ein vorformuliertes Schreiben gehandelt, das nicht auf einer individuellen Diagnose und Untersuchung beruht. Das ist strafbar als "Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse". Auch auf einer Demo im Oktober 2021 legte er solches "Attest" vor, auch als er als Zeuge im Juli vor Gericht aussagen musste, verwies er auf den Schrieb.

Seine Anwältin ist Gisa Tangermann-Ahring. Die Fürtherin ist eine "Anwältin für Aufklärung", ein Zusammenschluss von Juristinnen und Juristen mit Sitz in Berlin mit dem Hauptthema Covid. Sie scheinen jedem juristisch zu helfen, der Probleme mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hat. Erst am 23. November haben die Anwälte für Aufklärung einen offenen Brief an Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Politik geschrieben. Inhalt: 3G am Arbeitsplatz. Das sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeber.