Hugos Heldentag in Bad Kissingens Kurtheater
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Sonntag, 13. März 2016
Die Aufführung des Chiemgauer Volkstheaters von "Hugos Heldentag" entpuppte sich als ein ganz erstaunliches, durchaus modernes Stück.
"Die Leute wollen lustige oder verrückte Geschichten sehen. Und wenn die im Leben tatsächlich noch passieren, umso besser." Da hat Bernd Helfrich, Prinzipal des Chiemgauer Volkstheaters im Grunde ja Recht.
Aber in der Komödie "Hugos Heldentat" doch hoffentlich wohl nicht. Denn zu den ganzen Verwicklungen in diesem Dreiakter ist der Anlass der Umstand, dass der Feuerwehrkommandant Hugo Speck morgens um vier mit einigen Promille zu viel von der Polizei erwischt wird und seinen Führerschein abgeben muss. Das ist wohl eher unwahrscheinlich - auch in "Niederstreitbach". Denn die Männer - und seit einiger Zeit auch Frauen - die eine Feuerwehr kommandieren, wissen, wie das ist, wenn man ein Unfallopfer aus einem Autowrack herausschneiden muss.
Aktuelle Phänomene
Aber ansonsten ist der Dreiakter von Walter G. Pfaus ein ganz erstaunliches, durchaus modernes Stück Theater. Da geht es nicht mehr darum, dass der Hoferbe die fesche Magd gerne heiraten würde - nicht zuletzt, weil er weiß, dass sie arbeiten kann. Dass er das aber nicht darf, weil sie in Wirklichkeit seine Halbschwester ist. Nein, da geht es neben zeitlosen allgemeinen Befindlichkeiten - Eifersucht ist immer ein guter Theaterstoff - um ganz aktuelle Phänomene, die sich tatsächlich ereignen können: Familiäre Probleme aus Miss- oder Unverständnis, die jeder irgendwie kennt, versteckte, peinliche Briefe, Machtrangeleien in dem Feuerwehrverein, der in Kürze sein großes Fest feiern will, der seinen betrunkenen Kommandanten als höchst imageschädlich ansieht und absetzt, ein völlig zerrüttetes Verhältnis zwischen Hugo Speck und der Lokalpresse, die den Führerscheinentzug groß aufbrüht und mit einer Nachrichtensperre bestraft wird (da muss auch der Pressefuzzi im Saal wissend schmunzeln).
Komische Lösung
Da hat das Stück fast dokumentarischen Charakter. Zur Komödie wird es durch die Lösung: Hugo und sein Schwiegersohn in spe planen zur Wiederherstellung des guten Rufes die spontane Rettung eines Menschen aus der Prien, in die sich Hugo gerade eben noch stürzen wollte. Das haut nicht so ganz hin. Denn der Retter steigt schon ins Wasser, bevor das Opfer von der Brücke gefallen ist ...Nein, Pfaus hat einen ganz modernen Text geschrieben, der auch sprachlich im Heute angesiedelt ist. Natürlich spielt er ein bisschen mit den Klischees des Volkstheaters, die sich aus den Typen der Commedia dell"arte speisen. Aber er überzeichnet nicht, bleibt über der Gürtellinie, pflegt den feineren Humor.
Konsequent konstruiert
Wobei manches Klischee im Chiemgau ja auch heute noch stimmt, vor allem im Bereich der Geschlechterrollen. Dazu kommt, dass das Stück klug strukturiert ist, dass es nicht allzu viele Handlungsstränge entwickelt, diese aber konsequent immer wieder aufgreift und zum Ende führt.Dazu kommt, dass da wirklich eine gute Aufführung entstanden ist. Bernd Helfrich spielt nicht nur den Kommandanten Hugo, der hinter großen Gesten seine Kleinheit verstecken will, sondern er hat auch selbst inszeniert. Er ist eine echte Rampensau, die nicht nur genüsslich spielt, sondern auch genau weiß, worauf es ankommt. Die Komödie hat ein hohes Tempo ohne jeden Leerlauf und Stillstand, weil jeder auf der Bühne genau weiß, was er zu tun hat und auch immer in Bewegung ist. Auffallend war auch eine ausgezeichnete Artikulation des gesamten Ensembles, das den domestizierten Dialekt auch im Kurtheater nicht zur Fremdsprache werden ließ.
Bernd Helfrichs Team spielte perfekt zusammen: Michaela Helgenhauser als Inge Speck mit ihrer kontrollierten Eifersucht (Wo hatte sich ihr Mann denn immer wieder rumgetrieben?), Nicola Pendelin als Tochter, die mit Raffinesse durchsetzt, dass sie endlich ihren Oskar heiraten darf, den Schmierfinken von der Lokalzeitung, von Tom Mandl köstlich zwiespältig in seinem Interessenkonflikt gespielt.
Und da sind auch die beiden Witzfiguren, die auch in der Commedia dell"arte nicht fehlen dürfen: Rupert Pointvogel als Hugos Freund und Papagei, der ihm so gerne nach dem Mund redet, und Florian Kiml als ziemlich eitler Lehrer, der Hugo gerne als Kommandant beerben würde. Und schließlich Simona Mai als Bürgermeisterin und Dea ex machina, die am Ende des Stücks alles wieder richtet - nur nicht den eigenen Haussegen.
Es war ein unterhaltsamer Abend ohne Reue. Man kann eben auch einen "griabigen Schmarrn " intelligent spielen.