Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Montag, 18. Juli 2016
Wer Daniil Trifonov bei seinem Recitaldebüt im Rossini-Saal hörte, wurde in ein extremes Wechselbad der Gefühle getaucht.
Und erverließ den Tatort staunend, aber auch mit ein paar Sorgenfalten auf der Stirn. Er hatte zwei völlig verschiedene Konzertteile erlebt. Trifonov hatte ein kluges Programm zusammengestellt. Im ersten Teil spielte er drei BachKompositionen in Bearbeitungen der Romantik. Er begann mit der berühmten, unglaublich schweren d-moll-Chaconne für Violine solo, die Johannes Brahms für die linke Hand bearbeitet hat. Es war höchst eindrucksvoll, wenn auch erwartbar, dass Trifonov mit seinen supraelastischen Fingern die polyphonen Linien aus den Akkorden herausstellte, wie er gestalterisch mit den Arpeggien umging, wie er Phrasierungsbögen gestaltete, wie er dieser konstruierten Musik Schönheit abgewann.
Sergej Rachmaninoffs Bearbeitung der ersten drei Sätze der E-dur-Violinpartita BWV 1006, von sich aus schon schnell, wurden bei Trifonov zu Parforceritten. Und trotzdem waren die Strukturen nie verwischt, wurden Entwicklungen deutlich, sogar manche dem hohen Tempo geschuldete Melodien und erstaunlicherweise auch viel Witz, den Rachmaninoff hineingestreut hat. Und dann Franz Liszts Arrangement der Fantasie und Fuge g-moll BWV. Hier machte Trifonov die Herkunft von der Orgel mit ihren mächtigen Registern schon deutlich, ohne allerdings den Flügel zu überfordern oder die Durchhörbarkeit zu beeinträchtigen. Und die eilige Fuge hielt er mit geradezu gnadenloser Stetigkeit am Laufen. ohne auch nur einmal nachzugeben.
Und dann kam der zweite Teil mit Originalkompostionen der Romantik.Da musste Daniil Trifonov in der Pause einen Schalter umgelegt haben. Zugegeben, in Liszts Paganini-Etüden zauberte er noch. Da klang Nikolai Tokarevs Interpretation der "Campanella"-Etüde im Vergleich wie harte Arbeit. Aber Trifonov zielte hier doch schon auf Effekte, die aus der Technik kamen, nicht aus den Inhalten. Die Spielvorschrift "Quasi presto" deutete er als "Mindestens presto". Das ging hjer noch angesichts von Etüden.
Aber bei Rachmaninoffs Klaviersonate Nr. 1 ging es nicht mehr. Da zerfaserte ihm, der Bach noch so wunderbar analysiert hatte, die Musik völlig, verlor jede durchschaubare Form und Struktur zugunsten einer blendenden Technik. Da muss ihn irgendein Teufel geritten haben. Und da man davon ausgehen konnte, dass er seinen Tempi gewachsen war, wurde die ganze Sache sogar ein bisschen langweilig, weil es nichts zu entdecken gab. Da bekam sein Spiel einen deutlichen Zug des Hysterischen.
Fragt sich, wie lange Trifonov dieses Spiel, diesen enormen Druck durchhalten kann und will. Dass sich so etwas abnutzt, hat sogar Lang Lang schon vor einiger Zeit gemerkt. Daniil Trifonov hätte jetzt schon mehr zu bieten.