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Hausmusik bei Biedermeiers


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Sonntag, 18. Juni 2017

Liebeslieder präsentierte der Kissinger Sommer bei einem Konzert im Hammelburger Kellereischloss.
Sie bereiteten dem Publikum und sich selbst einen vergnüglichen Abend (v. l.): Eric Schneider, Daria Tudor, Julia Sophie Wagner, Marie-Luise Dreßen, Julian Freibott und Ludwig Mittelhammer. Foto: Ahnert


Ein bisschen sommerlicher hätte es schon sein können! Musiker sind ja gemeinhin kälteunempfindlich. Aber die Besucher ...
Dass sich trotzdem sehr schnell eine gute Stimmung im Innenhof des Hammelburger Kellereischlosses breit machte und über den letzten Takt hinaus nachwirkte, hatte einen Grund: "Liebeslieder". Eric Schneider, Professor für Lied und Liedgestaltung in Berlin und (seltener) Stammgast des Kissinger Sommers, hatte sich nicht nur die junge rumänische Pianistin Daria Tudor zum Vierhändigspielen an seine Seite geholt, sondern er hatte auch ein Vokalquartett aus ehemaligen Studenten zusammengestellt, das stimmlich und in seinem sanglichen und spielerischen Humor allerbestens zueinander passte: Julia Sophie Wagner (Sopran), Marie-Luise Dreßen (Mezzosopran), Julian Freibott (Tenor) und Ludwig Mittelhammer (Bariton).


Sehr pointiert

Das Programm hatte das musikaffine bürgerliche Wohnzimmer mit Pianoforte in den Innenhof des Kellereischlosses geholt. Was konnte da eine bessere Ouvertüre sein als eine Auswahl der Brahmsschen Walzer op. 39 zu vier Händen, sehr pointiert gespielt von Daria Tudor und Eric Schneider.
Die Bahn war eingestimmt und frei für den Gesang, für vier ausgesprochen lockere, auch artikulatorisch bestens geführte Stimmen, die einer Auswahl von vier Brahms-Liedern und Robert Schumanns "Spanischen Liebesliedern" durchaus ihren Ernst ließen, spielerisch aber andeuteten, dass sich die Sicht auf die Geschlechter und auch auf die Liebe doch ein bisschen geändert hat. Da gab es schon den ersten Szenenapplaus.
Leos Janaceks Kantate für Bariton, Vokalquartett und Klavier, "Elegie auf den Tod meiner Tochter Olga" fiel natürlich aus dem Rahmen der Heiterkeit heraus. Aber wann hat man schon die Sänger, die diese hochemotionale Musik nach einem sensiblen Gedicht von Olgas Freundin Marfa Veveritsa derart intensiv gestalten können. Und Eric Schneider, der die Trauer grundiert, hatte eine richtige Entscheidung getroffen: unmittelbar an die Kantate mit drei Brahms-Liedern die Zuhörer wieder in eine leichtere Gegenwart zu holen. So hatte der Beifall kein schlechtes Gewissen.
Aber dann wurde es wirklich vergnüglich mit den Liebesliederwalzern op. 52 für das Pianoforte zu vier Händen und Gesang (ad libitum). Da wurde das Schmunzeln vom Lachen verdrängt. Denn die Texte von Georg Friedrich Dauner hatten damals schon eine leicht ironische Distanz zu den Rollenklischees, insbesondere dem der Frau. Jetzt wurden sie genüsslich zelebriert. Und man konnte Julia Sophie Wagner und Marie-Luise Dreßen nur dankbar sein, dass sie Julian Freibott und Ludwig Mittelhammer ihre aufgesetzten Macho-Eskapaden so lässig durchgehen ließen.


Großes Vergnügen

Es war allerdings auch nicht zu übersehen, dass auch die sechs Musiker ihr großes Vergnügen an diesem Abend hatten. Ludwig Mittelhammer verriet den Grund: "Wann haben wir Sänger schon die Möglichkeit und das Glück, ein solches Programm einzustudieren und aufzuführen." Sie haben die Gunst der Stunde genutzt. Und noch zwei Zugaben gesungen.