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Hans und Gerda Stadler aus Bad Kissingen: Zusammen 197 Jahre und topfit


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

Bad Kissingen, Sonntag, 20. November 2022

Addiert man das Alter von Hans und Gerda Stadler, kommt man zusammen auf fast zweihundert Jahre Lebenserfahrung. Er ist 100 Jahre alt, sie ist 97 Jahre. Wie sie es schaffen, noch immer verliebt Tango zu tanzen.
Gerda und Hans Stadler in Tanzhaltung in ihrem Wohnzimmer Foto: Charlotte Wittnebel-Schmitz


Hans Stadler (100) hatte mit 80 Jahren keine Lust mehr auf ständige Erkältungen. "Wo können wir hin? Wo sind wir besser aufgehoben", fragte er sich und stieß in Berichten auf Bad Kissingen. So tauschte das Ehepaar Stadler schließlich das feuchte Klima in Köln am Rhein gegen die gute Luft des hiesigen Kurgebietes. In einer Dreizimmerwohnung im Parkwohnstift leben sie nun seit etwa zwanzig Jahren. Hans Stadler bewegt sich völlig frei, Gerda nutzt für längere Strecken einen Rollator. Beide sind weitgehend gesund und geistig wach geblieben.

Vorbildfunktion für andere

Für Katharina Benkert, die stellvertretende Direktorin der Seniorenresidenz Parkwohnstift, ist das Ehepaar ein Vorbild. Fasziniert sei sie davon, dass die beiden immer noch regelmäßig "Hand in Hand" mittags zum Essen gehen. Beide hätten oft ein Lachen auf den Lippen.

Ein Erfolgsgeheimnis des Paares sei es, dass die beiden früher in mehreren Tanzschulen und Tanzgruppen viel zusammen tanzten, sagt Benkert. "Vergangenes Jahr haben sie noch Tango getanzt, das war echt toll."

Hans Stadler beschreibt sie als einen sehr belesenen und sportlichen Mann. "Er hat eine wahnsinnige Disziplin und einen hohen Anspruch an sich selbst." So komme er nicht nur zum Pressegespräch im Sakko, sondern sei jeden Tag schick gekleidet.

Tanzen bis ins hohe Alter

Zum Tango gefragt, erzählt Hans Stadler, dass er als Jugendlicher Klavierspielen lernte.Vom Klavierspiel kommend, sei ihm das Tanzen leichtgefallen. Er habe statt der klassischen Klavierstücke auch "leichte Tanzmusik" gespielt. Das missfiel zwar dem Klavierlehrer, verzückte dafür aber Gerda. Die beiden kannten sich zunächst nur vom Sehen von der Schule und lernten sich an Gerdas 20. Geburtstag besser kennen.

Ihre Mutter habe den jungen Mann aus der Nachbarschaft eingeladen. Sie sei recht wählerisch gewesen, erzählt die 97-Jährige, aber bei Hans habe es sofort gefunkt. "Er hat sich nur ans Klavier gesetzt, da war es schon um mich geschehen."

Kennenlernen an Gerdas 20. Geburtstag

Zwei Wochen später sei ihr klar gewesen, sie gehörten zusammen. Hans Stadler fügt leise und verschmitzt an: "Ein anderer hatte keine Chance, der konnte keine Tanzmusik spielen." Zum Tanzen habe ihn seine Frau nicht überreden müssen. Er gehöre zu den Männern, die "freiwillig" tanzten.

Alten Menschen sagt man nach, sie seien besonders weise. Fühlt sich das auch so an? "Weise würde ich nicht sagen", sagt Hans Stadler. "Aber man sieht die Welt mit anderen Augen, man verknüpft mehr Dinge und stellt Schwierigkeiten und Unebenheiten fest, die so nicht bestehen bleiben sollten." Man habe die Welt in den vergangenen hundert Jahre ausgebeutet und stehe jetzt vor dem Dilemma, dass die Erde dies nicht mehr hergebe. "Die Weisheit sieht man nicht, sie liegt eher im Inneren", sagt Gerda Stadler. Mittlerweile liest sie Hans aus Büchern und Reiseberichten vor, weil ihr Mann nicht mehr so gut sieht.

Ein Buch zeichnet den Lebensweg des Paares nach

Lebenswege Hans Stadler hat - neben Reisen, die er und seine Frau auf Kreuzfahrtschiffen durch die halbe Welt führten - auch ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch "Lebenswege" ist den Enkeln gewidmet.

Es schildert Szenen ihrer Kindheit und Jugend in Magdeburg, bevor die Stadt 1945 zerstört wurde. Außerdem gibt es ein Kapitel über Hans Zeit als Soldat, bei der er Kampfeinsätze in der Luft und am Boden erlebte, verwundert wurde und in russische Gefangenschaft geriet. Neben einem Kapitel das Verliebtheit, Verlobung und Maschinenbau-Studium beschreibt, schildern die beiden auch den täglichen Überlebenskampf im Nachkriegsalltag.

Für die Nachfahren schrieb Hans Stadler auch auf, wie ihre Familie den Wandel in Ostdeutschland in "eine kommunistische Diktatur mit wirtschaftlichem Unvermögen und drastisch beschnittenen Freiheiten" erlebte. Gerda und Hans entschieden 1960, in den Westen zu gehen. "Was? Ihr wollt zu den Nazis?", habe ihre Tochter sie damals gefragt. Da sei ihr bewusst geworden, sagt Gerda Stadler, wie sehr die Propaganda in der Schule bereits ihre Tochter beeinflusst hatte. Es hätte einige Zeit gebraucht, bis sich das wieder gelegt habe.

In Köln hätten sich ihre Träume an Leben und Beruf dann erfüllt und sich damit die Zeit unter staatlich ertragener Willkür im Osten überwinden lassen, schreibt Hans Stadler. Er machte Karriere in einem bedeutenden rheinischen Unternehmen in Köln, der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) und übernahm leitende Funktion. "An der Spitze und in Verantwortung einer weltweit tätigen Firma zu arbeiten, das war eine großartige Sache", sagt er heute. Wie Motoren gebaut sind und funktionieren, ist für ihn bis heute ein Thema, über das er gerne spricht.

Das Buch enthält auch Fotos und einen Stammbaum, der die Vorfahren bis ins 18. Jahrhundert nachzeichnet. Eine Seite ist im Gedenken an die früh verstorbene Tochter des Ehepaar Stadlers gestaltet. Ihr Sohn, die Enkel und Urenkel hat es nach Österreich gezogen, von dort kommt Stadler ursprünglich.