Vier Schauspieler in 20 Rollen
Autor: Elisabeth Assmann
Hammelburg, Freitag, 15. November 2013
Hart zur Sache ging es beim ersten Theaterstück des englischsprachigen White Horse Theatres im Frobenius- Gymnasium für die Mittelstufe. Und vielleicht auch mitten in den Schulalltag. In "Sticks and Stones" wird das Mobbing von Schülern thematisiert.
Ganz klar wird in dem Stück herausgestellt, dass eine Person allein niemanden auf Dauer unter Druck setzen kann. Die Schüler um den Mobber, die zuschauen, nicht eingreifen, bieten erst die Plattform, auf der sich die Rollen des Unterdrückers und der Unterdrückten bilden können. Das Beispiel von Ruth, die neu an die Schule kommt und von der Klassenanführerin Lauren zu "Fatty", der Außenseiterin, gemacht wird, verdeutlicht dies.
Aus Angst selbst in die Rolle des Gepeinigten zu gelangen, widerspricht keiner in der Klasse. Toni wird von Jim Jarvish erpresst und geprügelt, so dass er auf keinen Fall mehr zur Schule gehen möchte. Weder die Mutter noch die Lehrer können wirklich helfen, verschlimmern die Situation für den Angegriffenen oft noch.
Die Opfer leiden einsam.
Die Mobber haben selbst oft wenig Selbstbewusstsein und werden nur durch ihr Publikum stark oder suchen Selbstbestätigung, weil sie selbst zu Hause unterdrückt und vielleicht geschlagen werden. Neid auf gute Noten und privilegierte Familienverhältnisse können ebenfalls Ursachen sein, um als Opfer ausgewählt zu werden.
Wie schwierig der erste Schritt aus der passiven Masse der Zuschauenden ist, erfahren die Schüler am Ende des Stückes, als sie von den Schauspielern aufgerufen werden, aufzustehen und sich selbst für den Gemobbten einzusetzen: Keiner traut sich!
Sieben Gruppen auf Tour
Für das junge Publikum interessante Inhalte (wie etwa letztes Jahr Ess- und Magersucht), angepasstes sprachliches Niveau und professionelle Muttersprachler als Akteure sind das Rezept des Theatergründers und Leiters Peter Griffith.
Die aufgeführten Stücke stammen meist aus seiner Feder. Sieben Schauspielgruppen touren durch Europa und Japan und bringen etwa 400 000 Schülern jährlich die englische Sprache durch Theater näher.
In der Fragerunde nach der Aufführung interessierten sich die Schüler vor allem für das Leben der Schauspieler. Mit dem Ensemble sind sie elf Monate im Jahr unterwegs und treten fünf Tage die Woche mit zwei bis drei Stücken am Tag auf. Vor der Tour werden in vier Wochen drei Stücke einstudiert. "Ein Job, den man lieben muss und nicht des Geldes wegen wählt," versichert Angus Templeton aus Sydney. Der Auftritt in Schulen bietet täglich neues Ambiente und Herausforderungen.
Der Zugang zum Publikum ist direkter, die Reaktionen ehrlicher, verraten die Schauspieler.
Im Unterschied zu einem bestehenden Theater muss in Schulen alles vom Licht, Ton bis zur Bühnendekoration selbst organisiert werden.
Beim zweiten Stück handelt es sich um eine Bühnenanpassung des Romans "Oliver Twist" von Charles Dickens durch Peter Griffith für die Oberstufe. Das Thema und die Dialoge im Akzent der Londoner Unterschicht um 1840 forderten ganze Aufmerksamkeit des jungen Publikums. Da war es nur gut, dass das Stück im Unterricht vorab gelesen und vorbereitet worden ist. Oliver Twist wächst als Waise im Armenhaus auf, wird verkauft, flieht aus den unmenschlichen Verhältnissen und gerät in die Fänge des Bandenchefs Fagin, der ihn zum Taschendieb ausbildet. Von dort nimmt ihn der noble Mr. Brownlow nach einem missglückten Diebstahl in sein Haus auf.
Als Oliver von seinem Stiefbruder wegen der Erbschaft umgebracht werden soll, beginnt der Kampf zwischen gut und böse. 20 Rollen werden von den vier Schauspielern bravourös gemeistert. Dieses vielschichtige Stück bietet sprachliche Anregungen und sozialhistorische Einblicke. Es gibt auch einen Anstoß, sich vielleicht an das 500-seitige Original zu wagen.