Sulzthaler erwandern die Grenze ihrer Gemarkung
Autor: Ralf Ruppert
Sulzthal, Montag, 29. April 2019
Mehr als 160 Wanderer erforschen beim Grenzgang die Sulzthaler Gemarkung. Am Rande gibt es Geschichte und Geschichten.
Trotz ihres 68. Geburtstags ließ sich die Bad Kissingerin Regine Kuhn diese Gelegenheit nicht entgehen: Alle sechs Jahre veranstalten die Gemeinde Sulzthal und die örtlichen Feldgeschworenen den traditionellen Grenzgang. "Früher fand er alle sieben Jahre statt, aber dann wurde es an die Amtszeit der Bürgermeister angeglichen", berichtet Obmann Alfred Tremer. 157 Teilnehmer wurden am Samstagmorgen bei der Überquerung des Sulzbachs in Richtung Euerdorf gezählt, unterm Tag kamen etliche Vertreter aus Nachbarorten dazu.
Oft in der Region unterwegs
Regine Kuhn hat mit ihrem Mann ein altes Anwesen in Sulzthal renoviert. "Wir wandern oft in dieser herrlichen Natur", erzählt sie. Vor sechs Jahren nahm sie den ersten Anlauf für einen Grenzgang, allerdings machte ihr Knie nicht den ganzen Weg mit. Mit Prothese ging es nun besser: "Heuer laufe ich von Anfang bis Ende mit", lautete ihr Vorsatz. Sie meisterte sogar den steilen Sieben-Berg, auf dem sich die Dreimärker zu Euerdorf und Wirmsthal beziehungsweise Ramsthal und Wirmsthal befinden. Danach geht es steil bergab, durchs Tal und wieder den Datesberg hinauf auf das Hoch-Plateau südlich des Ortes, auf dem sich der größte Teil der Gemarkung erstreckt. Mit den Flurnamen hat Regine Kuhn noch ihre Schwierigkeiten, trotzdem weiß sie immer, wo sie gerade wandert: "Ich orientiere mich an bestimmten Punkten wie der Kreuzkapelle."
Für das Sulzthaler Urgestein Alfred Diez hat der Grenzgang eine lange Tradition: "Ich war schon oft dabei. Vor sechs Jahren musste ich einmal aussetzen, heuer kann ich zum Glück wieder mitwandern", freut sich der 83-Jährige, der sich durch Wandern und Fahrradfahren fit hält.
Bürgermeister August Weingart (CSU) war begeistert, dass sich so viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für den Verlauf der Gemarkungsgrenze interessierten. Auf dem Sieben-Berg war Neele Schmitt die jüngste Wanderin. Die Zehnjährige ist die Tochter von Jagdpächter Detlev Schmitt aus Bad Kissingen. "Das gehört aus Tradition einfach dazu", begründet er sein Interesse am Grenzgang. "Ich bin aus alter Verbundenheit zum Ort dabei", ergänzt sein Vater Robert Schmitt, gebürtiger Sulzthaler. Vater und Sohn teilen sich das 600 Hektar große Revier im westlichen Teil der Gemarkung, der Sulzthaler Helmut Keller hat die übrigen 900 Hektar gepachtet.
Ungewöhnlich große Beteiligung
Unter den Wanderern waren auch viele ehemalige Sulzthaler, etwa Martin Halbig, der seit zehn Jahren in Reiterswiesen lebt. Vor 30 Jahren sei er als Jugendlicher zum ersten Mal den Grenzgang mitgelaufen, berichtet der 46-Jährige, und: "Seitdem bin ich jedes Mal dabei."
"Bei uns gibt es gar keinen Grenzgang mehr", kommentiert der Kützberger Obmann Edwin Drescher die große Zahl an Teilnehmern in Sulzthal. Er stieß beim Dreimärker Ramsthal-Kützberg-Sulzthal dazu, einem Stein mit besonderer Geschichte: "Das ist eines der ältesten Grenzsteine in der Region, er wurde schon 1551 erwähnt", berichtete Obmann Alfred Tremer. Gefachsimpelt wurde mit Gästen auch über Flurnamen: Was die Sulzthaler "Altholz" nennen, heißt in Kützberg "Hundslage", der Ramsthaler "Ruck" ist in Sulzthal die "Kohlgrube".
Zur Mittagspause wuchs die Teilnehmerzahl auf mehr als 200, trotz des Regens bewältigten nach der letzten Rast im Sportheim noch mehr als 80 Teilnehmer das letzte und steilste Stück vom Sportplatz hinunter zum Ausgangspunkt.