Stippvisite auf Streuobstwiese
Autor: Sigismund von Dobschütz
Hammelburg, Freitag, 04. März 2022
Der Bund Naturschutz traf sich mit Staatssekretärin Manuela Rottmann und stellte verschiedene Projekte vor.
Wie schon in den Vorjahren als Bundestagsabgeordnete nutzte Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) ihre sitzungsfreie Woche wieder für einen Besuch in im Wahlkreis. Doch diesmal war es ihr Antrittsbesuch in neuer Funktion als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Umso bedeutender war ihre Stippvisite in Hammelburg für die Vertreter des Bund Naturschutz (BN) und dessen Landesvorsitzenden Richard Mergner.
"Bisher hatte es terminlich nie geklappt, jetzt konnten wir uns endlich kennenlernen", freute sich Landesvorsitzender Mergner über die mehrstündige Gelegenheit zum Gedankenaustausch und zur Besichtigung einiger wichtiger BN-Projekte im Landkreis. "Die Bundesregierung und unser Bund Naturschutz müssen Partner sein." Ihm war es deshalb wichtig, der Staatssekretärin anhand beispielhafter Umweltprojekte die praktische Arbeit des BN vor Ort zeigen zu können. "Die Politik muss unsere Bedingungen anerkennen und fördern."
Spontane Förderzusagen konnte Manuela Rottmann natürlich keine machen. Wichtiger schien es der Juristin nach mehrwöchiger Einarbeitung im neuen Amt, sich Informationen aus der Praxis zu holen. Deshalb hörte sie während ihres mehrstündigen Besuchs den Praktikern meistens nur zu, statt sich zu politischen Aussagen hinreißen zu lassen.
Nach einem Besuch auf dem Hammelburger Weingut Lange und einem ausführlichen Vorgespräch mit den Naturschützern zeigte man ihr das BN-Projekt Agroforst im Gansthal. "Agroforst" ist eine Landnutzungsform, bei der Gehölze und Bäume zusammen mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen angebaut werden. Diese Doppelnutzung bietet ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Im Gansthal wurden erst im vergangenen Herbst auf 1,3 Hektar der insgesamt drei Hektar großen BN-eigenen Fläche 50 junge Walnussbäume unterschiedlicher Sorten gepflanzt. "Die Walnuss wächst immer besser bei uns, weil es immer wärmer wird", erläuterte BN-Kreisvorsitzender Franz Zang den Zusammenhang mit dem Klimawandel. Walnüsse haben als wertvolle Nahrungsmittel einen sehr hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren. "Walnüsse sind sogar noch gesünder als Avocados." Der Verzehr von Avocados weltweit steigt, zu deren Anbau in Südamerika werden aber oft Wälder abgeholzt, machte er den dortigen Umweltschaden deutlich.
Unter den Bäumen baut Landwirt Helmut Kienzle im Wechsel Winterweizen und Sommergetreide an. Zusätzlich wurden Ackerwildkräuter ausgesät. Dank der extensiven Bewirtschaftung des Bodens wachsen inzwischen sogar andere Wildkräuter, die vom BN gar nicht ausgesät wurden. Auch wurden schon Rebhühner wieder gesichtet. "Wir müssen uns immer fragen, welche Art der Landwirtschaft bei zunehmendem Klimawandel noch zukunftsfähig ist", nannte Mergner das wichtigste Problem. Deshalb probiert der Bund Naturschutz immer wieder Neues aus. Die Erfahrungen aus der Praxis "können dann ins ministerielle Handeln einfließen. Doch eine Agrarwende setzt auch immer faire Preise für die Landwirte voraus."
Die Staatssekretärin gab zu, "selbst als Uralt-Klimaschützerin nicht eine so schnelle Entwicklung des Klimawandels erwartet" zu haben. Zudem wachse das Bedürfnis in der Bevölkerung, sich selbst zu versorgen und die Artenvielfalt wieder herzustellen. Hierfür sei der Agroforst im Gansthal ein gutes Beispiel. "Wir müssen sorgsamer mit unseren Böden umgehen." Auch sei festzustellen, "dass die Menschen anfangen, sich mehr für den Umweltschutz zu interessieren". Doch leider sei der Erfolg ökologischer Maßnahmen in der Landwirtschaft von Laien nur schwer zu erkennen: "Rebhühner sieht man, aber Wildkräuter?" Dem widersprach Landwirt Kienzle und verwies auf die dann blühenden Ackerflächen.
Mit der Streuobstwiese in Untererthal, der nächsten Station der Staatssekretärin, versucht der Bund Naturschutz am Beispiel der fast hundert dort gepflanzten Apfelsorten, die Bevölkerung wieder mit der Vielfalt und dem Wohlgeschmack heimischen Obstes vertraut zu machen. Deshalb werden auch Baumschnittkurse angeboten und Obstfeste organisiert. Zur späteren Lektüre überreichte Mergner der Staatssekretärin den vom BN veröffentlichten Aktionsleitfaden "Ein Herz für Streuobstwiesen" und erinnerte an alte Zeiten: "Früher wurde überall Most gemacht, denn der war billiger als Bier." Schon damals habe es die jetzt als zukunftsfähig wieder empfohlene Doppelnutzung von Wiesen und Feldern gegeben. Doch auch auf der Streuobstwiese wiederholten Mergner und Zang das wirtschaftliche Problem und schlugen deshalb vor: "Apfelsaft aus Streuobstwiesen sollte überall in der Region auf den Tisch, in Schulen genauso wie in Kindergärten."