Steht Ideologie über Freiheit?
Autor: Kerstin Väth
Hammelburg, Sonntag, 10. April 2022
Falsche Ausweise, der fehlende Versicherungsschutz für ihr Fahrzeug und Drohbriefe brachten eine Reichsbürgerin vor Gericht. Warum die wortkarge Frau schon mit einem Bein im Gefängnis steht.
In der Scheibe des Wohnmobils, das ohne Versicherungsschutz auf der Straße unterwegs war, hingen Zettel mit reichsideologischem Gedankengut. Seine Fahrerin musste mit einem Polizeifahrzeug ausgebremst werden, damit sie überhaupt anhielt. Nach einer längeren Debatte mit den Polizisten zeigte sie einen Ausweis und einen Führerschein des Deutschen Reichs vor.
Jetzt stand die 57-Jährige aus dem Altlandkreis Hammelburg in Bad Kissingen vor Gericht. Ihre einzige Antwort auf alle Fragen: "Kein Kommentar." Trotzdem sahen Staatsanwalt und Richterin am Ende der Verhandlung die Anklageschrift als erwiesen an und verhängten eine Freiheitsstrafe.
Zum ersten Gerichtstermin war die Angeklagte nicht erschienen - ohne Entschuldigung. Der als Zeuge geladene Polizist bestätigte schon damals: "Gegen die Frau liegen noch mehr Verfahren auf meinem Schreibtisch." Zum zweiten Termin wurde sie dann von zwei Polizeibeamten gebracht. Hinsetzen wollte sie sich nicht. Und außer der Frage "Arbeiten sie eigentlich beim Gericht oder am Gericht?" - laut Staatsanwalt eine typische Äußerung aus dem Fragenkatalog der Szene - sagte sie nichts.
Der Polizist des Polizeipräsidiums Unterfranken, der als Zeuge geladen war, schildert jedoch genau, wie es zu der Verkehrskontrolle kam und was geschah. Vor dem Polizeibus, in dem er und sein Kollege fuhren, sei auf der B 286 am 1. Mai 2021 ein Wohnmobil unsicher und in Schlangenlinien gefahren. Weil es auch keine Plakette hatte, entschieden die Polizeibeamten, das Fahrzeug anzuhalten. Die Fahrerin wollte jedoch nicht stoppen. Deshalb stieg der Kollege aus und er setzte sich mit dem Bus vor das Wohnmobil.
Alle Schotten dicht
Die Fahrerin habe sofort alle Türen verriegelt, das Fenster eine handbreit geöffnet und gesagt, "wir seien nicht berechtigt, eine Kontrolle durchzuführen" und "ich sei nur Personal mit einer falschen Ausbildung". In diesem Stil gingen die Diskussionen weiter, immer mit der Androhung, dass sie jetzt weiterfahre. "Das lief wie eine Schallplatte ab", erzählte der Polizist, der den Zettel in der Scheibe mit reichsideologischem Gedankengut bereits gesehen hatte.
Man habe sie auf den fehlenden Versicherungsschutz für ihr Wohnmobil aufmerksam gemacht und sie mehrfach aufgefordert, auszusteigen. Erst nach einigen Debatten zeigte sie einen "Personenausweis" und einen Führerschein des Deutschen Reichs vor. "Angesichts dieser Fantasiedokumente war eine Überprüfung schwierig, wir hatten bis dahin keine Personalien."
Als sie drohte weiter zu fahren, forderten die Polizisten eine Streife zur Unterstützung an. Mit der wurde das Wohnmobil dann eingekeilt und der Zugriff besprochen. Währenddessen habe die Beschuldigte Handyfotos gemacht und telefoniert. Der Kollege habe dann noch einmal auf sie eingewirkt, sodass sie ausgestiegen ist. Die Kollegen hätten die Frau dann mit zur Polizeiinspektion Schweinfurt genommen. Erst später sei sie identifiziert worden, so der Zeuge.