Stadtrat Hammelburg: Protest gegen fehlende Kontrollen
Autor: Ralf Ruppert
Hammelburg, Mittwoch, 08. Dezember 2021
Grünen-Fraktionssprecher Florian Röthlein verlässt den Saal noch vor Beginn der Sitzung, weil Stadträte pauschal befreit sind. Bürgermeister Armin Warmuth setzt auf Eigenverantwortung.
Für den Grünen-Fraktionssprecher Florian Röthlein war die jüngste Stadtratssitzung bereits vorbei, bevor sie begonnen hat. Aus Protest über die aus seiner Sicht zu lockeren Corona-Regeln verließ er den Saal der Musikakademie kurz vor Beginn der Sitzung. "Mir geht es nicht um mich, sondern um meine Kinder", sagte der 35-jährige Familienvater. Er selbst sei bereits drei Mal geimpft, aber für seine Kinder im Alter von vier, sieben und neun Jahren gebe es nicht einmal einen Impfstoff. Bürgermeister Armin Warmuth dagegen setzt auf Eigenverantwortung: Stadträte, die nicht geimpft oder genesen sind, sollen sich selbst testen. Dafür seien sogar kostenlose Selbsttests verteilt worden. Kontrollen gebe es aber keine: "Unsere Stadträte haben alle einen Amtseid geschworen, ein gewisses Vertrauen sollte man haben."
Bereits im Oktober hatte Röthlein nach eigenen Angaben den Bürgermeister aufgefordert, die Zugangskontrollen vor den Stadtratssitzungen auch auf die Mitglieder des Gremiums auszuweiten. Die Stadt selbst war vor der November-Sitzung von den Vorgaben der Bayerischen Musikakademie überrascht worden. Diese hat für sich eine 2G-Regel eingeführt. Für Besucher und Mitarbeiter der Stadtverwaltung wurde diese Regel übernommen.
"Ich will Weihnachten mit meiner Familie feiern", begründet Röthlein seinen Protest. Für den Bundespolizisten ist es selbstverständlich, dass er sich trotz Dreifach-Impfung regelmäßig testet. Beim 24-köpfigen Stadtrat möchte er sich nicht nur auf mündliche Aussagen verlassen, sondern fordert die Vorlage eines Nachweises. "Der Stadtrat ist ein ganz normaler Querschnitt der Bevölkerung", sagt Röthlein zur Begründung. Zudem habe ihn bei der vorangegangenen Sitzung gestört, dass es keine Maskenpflicht gab. Bei der jüngsten Sitzung schrieb Bürgermeister Warmuth das Tragen der Masken auch am Platz vor, lediglich für Wortbeiträge durften sie abgenommen werden.
Verordnung gilt nicht für Stadträte
Die Rechtslage bei Stadt- und Gemeinderatssitzungen ist schwierig: "Sitzungen und Versammlungen, welche nach dem Kommunalverfassungsrecht vorgesehen sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV)", teilt das Landratsamt auf Nachfrage mit. Letztlich sei der Bürgermeister dafür zuständig, welche Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen getroffen werden: "Das Recht auf Handhabung der Ordnung und das Hausrecht obliegen dem Vorsitzenden", betont das Landratsamt, und: "Dieses Recht des Bürgermeisters kann auch durch Beschluss des Gemeinde-/Stadtrats nicht beschränkt werden." Allerdings sollten sich nach Auffassung des Landratsamtes Anordnungen "an den Wertungen der BayIfSMV orientieren". Sprich: Der Bürgermeister entscheidet allein, muss aber die Corona-Lage berücksichtigen.
Zudem gelten unterschiedliche Vorgaben für die Mitglieder der Gremien und für alle anderen Besucher. Für Stadt- und Gemeinderäte schlägt das Landratsamt mehrere Möglichkeiten vor: Bei einer 3G-Regelung sei ein unter Aufsicht vorgenommener Selbsttest ausreichend. "Im Hinblick auf das aktuelle Infektionsgeschehen kann auch die Anordnung einer 3G-Plus-Regelung erfolgen." Dabei könne "mit ausreichendem Vorlauf" ein verbindlicher PCR-Test verlangt werden. Eine 2G-Regel hält das Landratsamt dagegen "mit dem Recht der Gremienmitglieder auf Sitzungsteilnahme nicht vereinbar".
Eine einvernehmliche Verständigung, dass Gremienmitglieder, die keinen Geimpft- oder Genesenennachweis vorlegen können oder wollen, vorerst nur virtuell an Sitzungen teilnehmen, sei zwar möglich, setze jedoch die Zulassung von Hybridsitzungen und die Zustimmung der betroffenen Mitglieder voraus.
Für Besucher seien 3G- und 3G-Plus-Regeln zulässig. 2G oder 2G Plus hält die Behörde nach Rücksprache mit dem Bayerischen Innenministerium "bei einem regional sehr hohen Infektionsgeschehen" und "in begründeten Fällen" für vertretbar. "Bei der 2G-Plus-Regelung genügt als Testnachweis grundsätzlich ein unter Aufsicht vorgenommener Selbsttest." Das Innenministerium empfiehlt in solchen Fällen die zusätzliche Einrichtung eines Livestreams.