Stadtkapelle Hammelburg holt sich einen Coach
Autor: Doris Bauer
Hammelburg, Dienstag, 28. Januar 2014
Auch aus Hobby-Bläsergruppen lässt sich einiges herauskitzeln. Die Stadtkapelle holt sich dafür professionelle Hilfe.
Christian Reder ermuntert eine Musikerin der "Böhmischen", einer Formation der Stadtkapelle Hammelburg: "Jetzt spielst du dein Instrument einfach so , als wärst du die beste Musikerin hier - nimm die anderen mit und führ‘ sie zur nächsten Phrase." Das irritiert, gerade wenn man in einer größeren Gruppe spielt. Der Funke springt aber über: Der Dirigent nickt zustimmend und zeigt sich bestens gelaunt.
Mit Christian Reder wurde "einer vom Fach" engagiert, erklärt Frank Gerlach, der Trompete in der Stadtkapelle sowie bei den "Böhmischen" spielt und jetzt am "Coaching" teilnimmt. Was sich gerade in Bezug auf die bodenständige böhmisch-mährische Musikrichtung ein bisschen gestelzt anhört, zeigt doch seine Wirkung.
Reder fordert die Melodieträger auf, durch Verkürzen der Notenwerte Freiraum zu schaffen, damit der zuvor eingeübte, punktgenaue Nachschlag der Rhythmusgruppe auch gut
hörbar wird. So entsteht scheinbar von ganz alleine der richtige Schwung, oder wie Reder es nennt, der richtige "Groove".
Der 33-jährige Christian Reder ist durch und durch Musiker. Bereits als Sechsjähriger erhielt er den ersten Trompetenunterricht. Er hat Wettbewerbe gewonnen und zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Bei "Jugend musiziert" erspielte er sogar den ersten Bundespreis.
Reder machte seine Begabung zum Beruf und sammelte neben seinem Trompetenstudium Erfahrung im Bereich Stimmbildung und Dirigat. Seit sechs Jahren ist der Musiker für den Nordbayerischen Musikbund (NBMB) aktiv. "Verschiedene Vereine hatten mich angesprochen, dass Workshops gewünscht sind. Dabei habe ich festgestellt, dass die Wünsche, Sorgen oder auch Nöte immer wieder ähnlich gelagert sind.
So entstand aus der Realität dieses Coaching", erklärt er.
Der NBMB offeriert nicht nur musikalische Unterstützung, sondern ein gesamtes "Vereins-Coaching". Dabei geht es in erster Linie darum, Vereinsstrukturen anzunehmen und zu optimieren. Dazu zählen die Ausbildung der Jugend, die Leitung des Vereins und die Kommunikation. Das Coaching umfasst ein Start-Wochenende und einen weiteren Probentag nach sechs Wochen. Das Abschluss-Wochenende findet fünf Monate nach dem ersten Wochenende statt.
"Wichtig ist, dass man zunächst weiß, wie ein Orchester grundlegend aufgebaut ist, um die richtige Struktur zu entwickeln", sagt Reder. Da sei zum Beispiel die Rhythmus-Gruppe mit Tuba, Schlagzeug, Posaune oder Horn, die fest integriert sein müsse, damit die Melodie schön ausgespielt werden könne.
"Hier bei der Böhmischen haben wir am Vormittag die Rhythmus-Struktur gut hinbekommen."
Dann sei die Klangschulung wichtig, damit man Stücke auch stilistisch unterscheiden könne. "Da gibt es unterschiedliche Techniken für eine Polka oder einen Marsch", erklärt der 33-Jährige aus Ebern. Er zeigt anderen nicht nur, wie richtig Musik gemacht wird, er lebt das Gesagte auch.
Dass die Blasmusik mit Vorurteilen zu kämpfen hat, weiß Reder: "Die wird oft als Dicke-Backen-Musik abgestempelt - vielleicht, weil sie manchmal auch wirklich so gespielt wird. Bei seiner Arbeit mit den Vereinen habe er gemerkt, dass "diese Einstellung teilweise vorhanden ist".
"Im Nachhinein waren sie jedoch überrascht, wie eine Polka klingen kann, wenn man einiges beachtet. Wenn man eine Polka stilistisch wie eine Polka spielt, dann ist das Publikum auf deiner Seite.
Dann berührt Musik, und es ist unerheblich, welche Art von Musik du spielst." Reder sieht eine Zukunft für die traditionelle Blasmusik: "Sie wird zwar nicht häufiger als früher gespielt, aber es sind immer mehr junge Menschen, die dafür eine Begeisterung entwickeln. Auch ein Walzer oder eine Polka bieten Herausforderungen beim Spielen."
Und vor diese Herausforderungen stellt er die "Böhmischen" und am zweiten Probentag das gesamte Orchester der Stadtkapelle. Reder schafft es, seine Talente ein Stück weit weiter zu geben. Ganz unaufdringlich motiviert er und lockt die Spieler, ihre bisherigen Grenzen zu überschreiten.
Nachdem der Titel "Mährischer Spatz" in seine einzelnen Abschnitte geteilt und geübt wurde, bittet Reder alle Teilnehmer sich vorzustellen, in einem großen Konzertsaal mit 800 Musikern zu sitzen.
Schon kann das Gelernte abgerufen werden, und die Musiker wachsen über sich hinaus.
"Es macht Spaß, dabei zu sein. Vor allen Dingen ist Christian Reder ein Praktiker, der weiß, wovon er spricht. Aber er kennt sich nicht nur gut aus, sondern kann dies auch gut rüberbringen", erklärt Frank Gerlach nach dem ersten Proben-Vormittag. Wie seine Musiker-Kollegen hat der Hammelburger an stilistischen Merkmalen gearbeitet. Aber nicht nur die Musik wird schwungvoller, auch die Gruppe selbst wächst zusammen.