So ist Weihnachten in der Großfamilie
Autor: Ralf Ruppert
Ramsthal, Dienstag, 23. Dezember 2014
Anita und Dieter Lindwurm versuchen, wenigstens zum traditionellsten aller Familien-Feste ihre sieben Kinder an einen Tisch zu bekommen. Im Alltag klappt das nur selten...
Anita und Dieter Lindwurm leiten ein richtiges Familien-Unternehmen: Sieben Kinder zwischen 7 und 23 Jahren haben die beiden zusammen. Da ist es eine echte Herausforderung, alle zusammen zu trommeln. "Ich habe immer Wert drauf gelegt, dass wir wenigstens am Wochenende gemeinsam frühstücken, aber das klappt auch immer seltener", sagt Anita Lindwurm, und: "Ich hoffe, dass es wenigstens an einem Feiertag funktioniert."
Weihnachten wird in der Ramsthaler Großfamilie traditionell gefeiert: "Für mich ist das ein wichtiges christliches Fest", sagt die 45-jährige Mutter. Der Gang in die Christmette ist Pflicht - nicht nur weil aktuell fünf der sieben Kinder ministrieren, sondern auch weil Anitas Bruder Norbert Wahler Priester ist. Singen, Lieder auf dem Keyboard spielen und Besuche bei den Großeltern gehören ebenso dazu wie ein Baum, den das Christkind vor allem für die beiden jüngsten, Marie (9) und Amelie (7), schmückt.
"Jeder schenkt jedem was", berichtet Marie. Das sei zwar ganz schön stressig vor Weihnachten, aber: "Es ist auch schön, so viele Geschenke zu bekommen."
"Es wird nie langweilig"
"Es wird auf jeden Fall nie langweilig", sagt Julian über seine Großfamilie. Der 17-Jährige ist einer der Drillinge, mit seinen gleichaltrigen Geschwistern Pascal und Selina und der nur gut ein Jahr jüngeren Sophia hat er vor allem Kindergarten und Grundschule sehr intensiv durchlebt. Erst danach trennten sich die Wege zumindest schulisch, aber: "Viele Interessen sind immer noch gleich, vor allem bei mir und Pascal", verweist Julian auf die gemeinsamen Hobbies Leichtathletik und Feuerwehr.
"Ich find's gut, weil immer was los ist", genießt auch Marie das Leben in der Großfamilie. Allerdings wollten die älteren Geschwister auch manchmal unter sich sein.
Die 17-jährige Selina sieht es aus der anderen Perspektive: "Manchmal kommen die anderen auch ins Zimmer, wenn man eigentlich seine Ruhe haben will", berichtet sie vom Zusammenleben in einem Haus.
Auch ihr Drillingsbruder Pascal genießt das Leben in der Großfamilie: "Man findet immer jemanden zum Zuhören", nennt er ein Beispiel. Zudem seien die Lindwurm-Kinder bekannt "wie ein bunter Hund", schließlich ist es mit Abstand die größte Familie in Ramsthal. "Außerdem ist die Arbeitsteilung besser. Je mehr mithelfen, desto schneller ist man mit seiner Arbeit fertig."
Mit einem Kind ins Eigenheim
Kennen gelernt haben sich Anita und Dieter Lindwurm 1988 auf einem Beatabend in Ebenhausen, berichtet Anita Lindwurm. Sie selbst hat drei Geschwister, ihr Mann zwei.
"Für mich war das schon immer schön", erinnert sich die gebürtige Ramsthalerin gerne an ihre Kindheit zurück. Dass sie aber selbst einmal sieben Kinder zur Welt bringen wird, kam dennoch ungeplant: 1990 heirateten die beiden und bekamen ihren ersten Sohn Patrick, der heute 23 Jahre alt ist. 1995 bauten sie dann erst einmal im Baugebiet Schäffthal ein Eigenheim. 1996 zogen sie ein und Anita wurde wieder schwanger.
"Eigentlich sollte es nur ein zweites Kind sein", erzählt sie, zur Welt kamen dann aber auf einen Schlag die Kinder zwei bis vier. "Die Zeit war schlimm", erinnert sich das Ehepaar Lindwurm zurück: Dieter Lindwurm ging weiter seiner Arbeit als Glas- und Gebäudereiniger nach: "Es musste ja Geld reinkommen." Viel Unterstützung gab es von den Großeltern, eher weniger von außen: "Die Krankenkasse hat immer mal wieder eine Haushaltshilfe genehmigt, aber das war immer ein Hin und Her", erinnert sich Dieter Lindwurm.
Also musste er oft selbst nachts ran und Windeln wechseln. Unübersichtlich wurde es auch beim Füttern: "Da muss man bei Drillingen schon Buch führen", erzählt der 49-Jährige.
Bewusster Entschluss für Amelie
Trotzdem wuchs die Familie weiter: "Das nächste Kind war so nicht unbedingt geplant", berichtet Anita Lindwurm davon, dass sie bereits ein halbes Jahr nach der Geburt der Drillinge wieder schwanger wurde. Danach seien die Entscheidungen dann allerdings wieder bewusster gefallen, vor allem bei Nesthäkchen Amelie: "Wir wollten einfach auch noch ein Geschwisterchen nahe bei Marie."
Für Amelie übernahm der damalige Bundespräsident Horst Köhler die Ehrenpatenschaft. Eine durchaus exklusive Ehre: Im vergangenen Jahr gab es nur 600 solcher Patenschaften für das siebte gemeinsame Kind eines Ehepaares.
Neben der Urkunde erhielt die Familie 500 Euro - finanzielle Hilfe, die bei einer Großfamilie gut investiert ist und gebraucht wird.
Eine konkrete Hilfe sei das Bildungs- und Teilhabepaket: Ohne großen bürokratischen Aufwand gibt es daraus zum Beispiel Geld für Schulausflüge. "Das könnten wir uns sonst nicht leisten", sagt Anita Lindwurm. Unterm Strich bleiben jedoch die vielen Erschwernisse: Etwa Familienkarten, bei denen die Zahl der Kinder beschränkt ist, oder dummen Sprüche wie "Ihr habt wohl keinen Fernseher daheim". Auch Pauschalurlaub kann man als neunköpfige Familie keinen buchen. Deshalb geht es meistens auf den Campingplatz oder zu einer der Großfamilien- und Mehrlings-Freizeiten des Kolpingwerkes. Positiver Nebeneffekt: "Da trifft man dann auch mal andere Großfamilien." Dann merken die Lindwurms, dass sie nicht die einzigen mit so vielen Kindern sind.