Ralph Turnheim kommentiert Tarzan-Stummfilm
Autor: Gerd Schaar
Hammelburg, Sonntag, 15. März 2015
Ralph Turnheim kommentiert "Tarzan of the Apes" aus dem Jahr 1918 mit seiner Lyrik. Er gibt dem Streifen damit eine ganz eigene Bedeutung.
Statt eines leisen Beamers knattert ein alter Filmprojektor in der Turnhalle der Kinderkiste. Stofftiere umrahmen die Szenerie. Kann man heutzutage noch einen mehr als einstündigen Stummfilm auf die Zuschauer loslassen? In diesem Fall schon.
Denn für Ralph Turnheim ist der Stummfilm nur Transportmittel für seine pfiffige Live-Synchronisation. Der gelernte Schauspieler aus Wiener, der mittlerweile in Wiesbaden wohnt, bietet Gereimtes aus eigener Feder.
Das Timing seiner Kommentare passt zur Handlung auf der Leinwand. Sie machen die Unterschiede zum Zeitgeist von 1918 bewusst. Dadurch bekommt der Tarzan-Film ein völlig neues Leben eingehaucht.
Humorvolle Texte
"Tarzan ist ein wunderbares Märchen für Erwachsene", sagt Annemarie Fell von Kulturbunt. Der Verein hat Turnheim für die Veranstaltung nach Diebach geholt. "Turnheim in der Turnhalle - das passt", meint Barbara Stross zuvor bei der Begrüßung.
Das Publikum würdigt Turnheims sprachliches Talent und Wissen: "Es hat sich gelohnt, zu kommen. Es war ein schöner Abend", meint eine Zuschauerin. "Es war total lustig und Turnheim hat gute Arbeit geleistet", so eine weitere Meinung. "Die Texte sind hervorragend und voller Humor. Die Wiener Sprache ist einfach klasse", sagt eine andere Zuschauerin. "Äußerst amüsant und überraschend, wie man Leuten von heute einen Stummfilm präsentieren kann", findet ein anderer.
"Ich war schon einmal vor ein paar Jahren mit einem Stummfilm von Buster Keaton zu Gast bei Kulturbunt", erklärt Turnheim. Den Oldtimer-Projektor hat er mitgebracht. Der Film "Tarzan of the Apes" ist in der Urfassung und ohne Kürzungen zu sehen. "Für meine gereimten Texte habe ich etwa drei Monate gebraucht", berichtet Turnheim. Ohne eine gewisse Vorliebe für den Stummfilm wäre es nicht gegangen. So bekommt dank dem Künstler ein Stück Filmgeschichte ein neues Eigenleben.
Ein Hauch des Zeitgeistes
Gedreht wurde die erste Originalversion des Tarzan-Films im Jahr 1918. Damals ging der Erste Weltkrieg langsam zu Ende. Der Geist der englischen Kolonialzeit, die Rassentrennung und die damals als recht exotisch empfundene Urwaldszenerie wurden den Zuschauern bewusst gemacht. Sie erhielten durch Turnheims Lyrik kabarettistische Züge. Turnheim: "Der Stummfilm bleibt ein Stummfilm, obwohl er Sprache bekommt." Aber durch die begleitende "Sprachmusik" sehe man den Film völlig anders.
Turnheim gibt dem ersten Tarzan-Film eine Bedeutung, die viele Nachverfilmungen nicht erreichen. "Kein Film danach hat die Szenerie von Tarzan und Jane so entzückend auf den Punkt gebracht wie das Original", erinnert Turnheim an spätere Tarzan-Darsteller wie Johnny Weissmüller und Lex Barker. Turnheim ist mehr als ein bloßer Stummfilm-Erklärer. Turnheim ist vielmehr ein Leinwandlyriker mit Wiener Charme und Charisma, der sein Publikum einen Abend lang begeistern kann.