Pflegekräfte kritisieren Arbeitspensum
Autor: Redaktion.
Hammelburg, Freitag, 12. Sept. 2014
Pflegekräfte wollen mit einem Smart Mob auf die Situation in Heimen hinweisen. Mitorganisatorin Karin Stratmann aus Hammelburger erzählt von den schwierigen Zuständen.
Heftig kritisiert wird die Situation in der Pflege alter Menschen immer wieder. Erst unlängst veranstalteten Pflegekräfte und Angehörige von Pflegebedürftigen auf dem Marktplatz in Bad Neustadt einen sogenannten Smart Mob. Damit werden für den Unbeteiligten scheinbar spontane Veranstaltungen mit politischen oder weltanschaulichen Botschaften bezeichnet.
Unter dem Motto der bundesweiten Aktion "Pflege am Boden" legten sich die rund 30 Teilnehmer für kurze Zeit auf die Pflaster des Marktplatzes in Bad Neustadt nieder, um auf die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände aufmerksam zu machen. Organisiert worden war der Smart Mob, der an diesem Samstag, 13. September, auf dem Marktplatz von Bad Neustadt ab 11 Uhr wiederholt wird, von den beiden Krankenschwestern Karin Stratmann und Alexandra Pankow.
Besorgniserregende Situation
Im Gespräch zeichnet Karin Stratmann aus Hammelburg ein besorgniserregendes Bild von der Pflege, wie sie es erlebt. In der Einrichtung, in der sie derzeit arbeitet, betreuen beispielsweise zweieinhalb Pflegekräfte 32 zum Teil demente Personen bei der Morgenversorgung. Das bedeute: Waschen, beim Aufstehen und Ankleiden helfen, mobilisieren und Essen eingeben, weil viele gar nicht mehr in der Lage seien, selbstständig zu agieren. Am wenigsten Zeit bleibe für die bettlägerigen Bewohner.
"Alles geht in rasender Geschwindigkeit vor sich", sagt sie. Für ein kleines Schwätzchen oder Zuwendung bleibe da keine Zeit. "Ich mache meine Arbeit im Dauerlauf", sagt die Frau, die ihren Beruf seit 26 Jahren ausübt. Zu alledem komme noch die Dokumentation der Pflege.
Ein zeitlicher Aufwand, der von vielen Berufskolleginnen während der regulären Dienstzeit nicht zu leisten sei. Überstunden würden aber nicht von jedem Arbeitgeber geduldet.
Ganz bewusst hat sich Karin Stratmann für eine Anstellung bei einer Leiharbeitsfirma entschieden. "Da muss man nicht kündigen", erklärt sie. Wenn die Arbeitsumstände untragbar würden, sei es da einfacher zu wechseln. "Ich komme ganz schön rum", sagt sie. Unter anderem war sie in einer Einrichtung mit damals 46 Bewohnern beschäftigt. Nach einer Umstrukturierung sei sie von heute auf morgen für die Versorgung von zehn statt fünf Personen zuständig gewesen.
Dazu oblagen ihr die Verteilung der Medikamente für alle sowie weitere medizinische Aufgaben wie Blutzucker messen oder Verbände anlegen.
Die neben der stetig steigenden Arbeitsbelastung schlechte Bezahlung sieht sie als einen der Hauptgründe, warum es für Heime immer schwieriger werde, Pflegepersonal zu bekommen. Was wiederum für die verbleibenden Kräfte ein Mehr an Arbeit nach sich ziehe. "Das ist überall in den Heimen so", sagt Karin Stratmann, die ihre Erlebnisse in den Einrichtungen der Region gemacht hat. Kaum besser sei die Situation in den Krankenhäusern. Auch hier sei das Personal mit einer stetigen Arbeitsverdichtung konfrontiert.
Lieber heute als morgen würde Karin Stratmann ihren Beruf aufgeben und etwas anderes machen. Über einen Wechsel ins Ausland hat sie sich auch schon Gedanken gemacht. Bislang haben sie private Gründe aber davon abgehalten. Michael Petzold