Oft kein leichter Start in den Beruf
Autor: Winfried Ehling
Hammelburg, Freitag, 21. Juni 2019
In der Erzählreihe "Erlebt & Erzählt" standen diesmal die Lehrjahre, der Anfang des Berufslebens verschiedener Zeitzeugen im Mittelpunkt.
Dass "Lehrjahre keine Herrenjahre waren" - das Thema des jüngsten Live-Podiums der Reihe "Erlebt & Erzählt" - ist Menschen im Ruhestand nur zu gut bekannt. Dem Initiator und Organisator dieser beliebten Erzählrunde, Altbürgermeister Ernst Stross, gelang es erneut, sein Projekt in der Stadtbibliothek mit Zeitzeugen auszustatten, die das Motto ergiebig und aus eigener Erfahrung ausschmücken konnten.
Viele Berufe verschwunden
Bibliotheksleiterin Karin Wengerter hieß rund 100 Zuhörer willkommen, deren Erinnerungen und Austausch interessante Einblicke in das "Damals" eröffneten. Denn in den ersten zwei Dritteln des verflossenen Jahrhunderts war der Start ins Berufsleben noch ein echtes Abenteuer, zumal in einer Zeit, in der Lehrstellen Mangelware, insbesondere in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, waren.
Maurer, Tischler, Maschinenschlosser und Maler hießen die gefragten Lehrberufe. Einige gibt es heute gar nicht mehr oder nur in veränderter Form, man denke an den Maschinenschlosser, der zum Kfz-Schlosser, zum Kfz-Mechaniker und schließlich zum Mechatroniker wurde. Für Mädchen kamen Einzelhandelskauffrau, Damenschneiderin oder Friseurin in Frage. Die Putzmacherin lässt sich nicht mehr finden, und Berufe wie Bankkauffrau oder Arzthelferin tauchten erst später auf.
Otmar Huppmann, Wahl-Diebacher des Jahrgangs 1930, sollte nach Willen des Vaters Bauer werden. Ihn zog es jedoch zum Schmiede-Handwerk, das Landwirte seinerzeit meist selbst praktizierten. Aus Sömmersdorf stammend, fand er eine Ausbildungsplatz in Lindach. Doch Hammer und Amboss blieben ihm weitgehend versagt. Er musste mit einem polnischen Kriegsgefangenen den Acker bestellen und - haute ab.
Glücklicherweise fand er gleich eine Lehrstelle bei Schmied Jakob in Geldersheim, das täglich mit dem Fahrrad zu erreichen war. Arbeitszeit: Von morgens 6 Uhr bis abends 9 Uhr. Samstags verkürzt, musste der Lehrling jedoch noch die Straße kehren, wobei die Schmiedetöchter feixend zuschauten. Der Monatslohn betrug zwischen zehn und 15 Reichsmark. Wenn Mutter eine Brotzeit einpackte, reichte das Geld noch für eine Suppe im Gasthaus um zehn Pfennige.
Der Hammelburger Josef Kirchner, 1936 geboren, erinnert sich an die Zeiten der Arbeitslosigkeit in der landwirtschaftlich geprägten Saalestadt. Die Lage erschwerten in den 50er Jahren viele Flüchtlinge. Er trat nach einer Wartezeit eine Lehrstelle in der Buchdruckerei Seipel an und konnte nach relativ kurzer Zeit "schon 1000 Kuverts mit der DIN-A5-Druckmaschine runterhauen". Von der Firma, die das Hammelburger Wochenblatt ausreichte, schnell zum Bus am Marktplatz, der die Journaille zu den umliegenden Ortschaften brachte. "Im dritten Lehrjahr verdiente ich schon 60 Mark monatlich", freute sich der Lehrling stolz, ein von der Gewerkschaft ausgehandelter Tarif.
Nach Abschluss der Lehre ging es mit anderen nach Bamberg, wo die frischgebackenen Buchdrucker "gegautscht" wurden, in die Zunft aufgenommen - mit einer Wassertaufe. Die jungen Gesellen sollten außerdem eine Maß Bier austrinken, kamen, aber nicht dazu, weil ihnen die älteren einen eiskalten Guss ins Genick schütteten.