Nachts in Hammelburger Weinkellern
Autor: Winfried Ehling
Hammelburg, Sonntag, 30. Oktober 2016
Die nächtliche Weinwanderung bietet einmal im Jahr einen reizvollen und besonders stimmungsvollen Rundgang durch Hammelburg.
Genuss, Geschichte und Informationen aus Gegenwart und Vergangenheit reichen sich die Hand, wenn Gästeführerin Christiane Schmid mit einer Nachtwächterleuchte mit einer Gruppe Weinliebhaber zum Gang durch das Weinviertel aufbricht. Diesmal machten sich etwa 25 Personen, darunter Mitglieder des Kulturvereins Büchold, auf die mit einem Hauch Abenteuer versehene Tour durch die Keller der Weingüter Müller, Ruppert und der Winzergenossenschaft, um die Historie des Rebensafts zu erfahren und zu verkosten.
Florian Müller vom gleichnamigen Weingut kredenzte den Besuchern einen Weißburgunder vom Heroldsberg, eine noch junge Anbausorte im Weinrevier, die sich in Eichenfässern aus dem Spessart wohlfühlt. Eine Herausforderung, bedenkt man, dass ein 600-Liter-Holzfass fast zweieinhalb Tausend Euro kostet.
Dennoch will der junge Winzer die Spessarteiche im Auge behalten - für Spezialitäten.
Der Orange-Silvaner braucht nach der Gärung viel Reifezeit. "Etwa noch ein Jahr im Fass, bis er sich voll entfaltet", schätzte Müller, der dieses Experiment als "keinen Alltags-Wein" einstufte. Entsprechend gestaltet sich der Preis, wenn dieser Wein in den Flaschen ist: knapp 40 Euro pro Stück.
Aus dem Weingut Müller führte Schmid ihre Gäste durch die Straßen und Gassen der Altstadt, wo einst zahlreiche Winzer ihre Heimat hatten. Die Gästeführerin gab Geschichten und Fakten der "guten, alten Zeit" wider, die oft gar nicht so gut war - zumindest für die Weinbauern mit kleinen Rebflächen und ärmlichen Behausungen.
Ziel war der zwischen Hüter- und Baderturm gelegene Weinbaubetrieb Ruppert, wo Stefan Ruppert die Nachtwanderer mit einem fruchtigen Rosé des Blauen Portugieser empfing.
Ruppert, dessen Großvater als erster Hammelburger einen Bocksbeutel abfüllte, legte die Historie der Familie dar.
Schatzkammer im Neubau
Demnach führen Mutter Christiane und ihre beiden Söhne Stefan und Matthias die Tradition fort. Sie führten 2012 die Maschinenernte für die klassischen Sorten Müller-Thurgau, Silvaner und Bacchus ein. Derzeit expandiert der Betrieb in Form eines Neubaus direkt gegenüber dem bestehenden Gebäude."Die beste Form der Erweiterung", wie Stefan Ruppert befand. "Aussiedeln wäre wegen der aufwendigen Logistik keine Lösung gewesen und die Erweiterung des Hauses war unmöglich." Auf insgesamt 750 Quadratmetern, verteilt auf zweieinhalb Stockwerke, sollen eine Vinothek, ein Verkaufsforum, ein Büro, Sanitäranlagen, Lagerkeller, ein Verkostungsraum für 50 Besucher, eine Küche und eine "Schatzkammer" entstehen. Bei Letzterer handelt es sich um einen temperierten Lagerraum für ältere und besondere Weine nebst einer Sitzgruppe. Die Fertigstellung palnt der Jungwinzer für den Frühsommer 2017.
Von Geschichten aus der Vergangenheit begleitet, gelangten die Wanderer zum Kellereischloss. Zunächst in der Verkaufsstelle und Probierstube von Stephan Merz mit einem Silvaner Kabinett vom Heroldsberg empfangen, fanden sich die Gäste schon bald in der Brunnenstube wieder.
Die autarke Wasserversorgung entdeckte man bei der Restaurierung in den 1980er Jahren. Das Wasser in acht Meter Tiefe wäre auch heute noch nutzbar, versicherte Merz. Hannes Deinlein gab die Anekdote von der ins Weinfass gefallenen Maus wider, während die Zuhörer gut gelaunt lauschten.
Die Führung endete mit einer Besichtigung des Winzerkellers und des Bocksbeutelkellers und schwappte, dem Vernehmen nach, teils kräftig über den angesetzten Zeitrahmen hinaus.