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Musikakademie bietet Talenten eine Bühne


Autor: Sigismund von Dobschütz

Hammelburg, Sonntag, 26. August 2018

Was verbindet eine Landwirtin, eine Übersetzerin und eine Grundschulreferendarin miteinander? In ihnen allen schlummern bühnenreife Künste.
Begleitet von Pianistin Friederike Wiesner singen Grundschulreferendarin Anna Förg (Sopran) und Gesangstudent Dominik Schumertl (Bassbariton) das Lied "Supercalifragilisticexpialigetisch" aus dem Filmmusical "Mary Poppins". Foto: Sigismund von Dobschütz


Fünf Tage haben neun Gesangstalente aus ganz Deutschland für ihr musisches Hobby geopfert, um in einem anspruchsvollen Workshop mit der bühnenerfahrenen Opernsängerin Claudia Grundmann (Sopran) als Dozentin ihre Stimmen zu verbessern und die für den klassischen Gesang notwendigen Techniken zu trainieren. Jeweils zwei Lieder oder Arien hatten die sechs Damen und drei Herren zuvor ausgewählt und während des Workshops mit fachlicher Unterstützung bühnenreif einstudiert, um sie beim Abschlusskonzert im Kammermusiksaal vor Publikum vorzutragen.

Seit sechs Jahren bietet das Gesangsensemble Bel Voce unter Leitung der Sopranistin Erika Sommer, das seit 15 Jahren auf Europas Bühnen mit klassischen und zeitgenössischen Programmen unterwegs ist und seitdem auch Workshops organisiert, zweimal jährlich solche öffentlichen "Trainingslager" an der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg an. Doch nur Toni Röder stammt aus Hammelburg, alle anderen waren von weiter her angereist.

"Ich war der einzige aus der Region, der sich getraut hat", schmunzelte der musikalische Ruheständler. Alle Teilnehmer haben "einen ordentlichen Beruf gelernt", wie Dozentin Claudia Grundmann in ihrer Begrüßung betonte. Doch alle machten schon vor Jahren den Gesang zu ihrem liebsten Hobby.

Fast alle erwiesen sich deshalb auch schon stimmlich gut gebildet, einige wirkten bei ihren Darbietungen absolut professionell. "Manche hätten durchaus eine professionelle Sängerlaufbahn beschreiten können", meinte auch die Dozentin. So würde kaum jemand in Altistin Doris Langer, die eine dramatische Arie aus Wagners "Rheingold" und eine nicht minder schwierige Arie aus Saint Saens' Oper "Samson et Dalila" darbot, hauptberuflich eine Diplom-Verwaltungswirtin, in Sopranistin Tanja Rayzik mit ihren zwei Mozart-Arien eine Landwirtin auf dem Bauernhof oder in Sopranistin Frauke Link mit ihren bezaubernd gesungenen Opernarien eine Übersetzerin am Schreibtisch oder in der Sopranistin Anna Förg eine Referendarin für die Grundschule vermuten.

Drei der Teilnehmer - Landwirtin Christina Prölß, Realschullehrer Klaus Koloczek und Chemiker Toni Röder - haben ihre aktive Berufszeit sogar schon hinter sich und konzentrieren sich jetzt verstärkt auf ihr Hobby. Anders ist es bei Bassbariton Dominik Schumertl.

Der 23-Jährige hat kürzlich die schwierige Aufnahmeprüfung für ein Gesangsstudium am weltberühmten Mozarteum in Salzburg bestanden, wo er sich ab Oktober zum professionellen Opernsänger ausbilden lassen will. Bei "Wenn ich einmal reich wär", dem bekannten Lied des Milchmannes Tevje aus dem Musical "Anatevka", spürte man Schumertls Spielfreude, doch "ich will mich nicht auf ein bestimmtes Fach festlegen lassen", meinte der angehende Opernsänger. Aber auch mit der von ihm als zweite Darbietung ausgewählten Arie des Haremswächters Osmin, "Oh wie will ich triumphieren" aus Mozarts "Entführung aus dem Serail", zeigte der junge Sänger seine Vorliebe für das leichtere Fach.

Jeder der neun Teilnehmer erhielt täglich eine Stunde lang Einzelunterricht, durfte dann während der anderen acht Stunden beim Studium seiner Mitstreiter zuhören. "Auch beim Zuhören lernt man gut", versicherten die beiden Workshop-Leiterinnen Grundmann und Sommer.

"Wir haben eine Woche gelernt - gelernt und gelacht", beschrieb zu Beginn des zweistündigen Konzerts die Bankangestellte Sabine Meerwein (Sopran) die Arbeitsatmosphäre. "Entsprechend ist unser Adrenalin-Spiegel jetzt sehr hoch." Doch Lampenfieber gehört nun mal zum Leben eines jeden Künstlers und spornt bei der Bühnenarbeit an. So bot dieses Abschlusskonzert eine erstaunliche Leistung, auch wenn vor Aufregung mal nicht jeder Ton absolut sicher saß oder fehlende Konzentration zum Textausfall führte. Deshalb war es bedauerlich, dass trotz freien Eintritts nur wenige Hammelburger der Einladung zu diesem Abschlusskonzert mit Musik aus Oper, Operette, Musical und klassischem Lied gefolgt waren.