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Musik-Session mit singender Säge


Autor: Winfried Ehling

Hammelburg, Sonntag, 31. Mai 2015

Die Musik-Kreativ-Tage in der Nordbayerischen Musikakademie brachten überraschende Kompositionen zu Tage.
Der "singenden Säge" entlockte Ralph Stövesand unglaublichste Töne wie etwa ein Vogelzwitschern.  Foto: Winfried Ehling


"Grenzen sprengen" sollten die Musik-Kreativ-Tage in der Nordbayerischen Musikakademie. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Insgesamt 14 Teilnehmer nahmen an dem Workshop teil, der Erstaunliches hervorbrachte.

Exotische Instrumente

Wenn Volksmusiker, Klassiker, Swinger und Pop-Rocker aufeinandertreffen, sind Reibungsflächen vorgegeben - sollte man meinen. Wenn noch exotische Instrumente wie indische Sitar, die Guzheng, Tubular Bells (Röhrenglocken) oder eine "singende Säge" diesen vermeintlichen "Musikbrei" auffüttern, kommt es wohl zum Eklat, denkt sich so mancher Genre-Stilist.
Dass so eingestellte Musiker falsch liegen, zeigten die Musik-Kreativ-Tage, die verschiedene Stilrichtungen unter einen Hut brachten und aneinander partizipieren wollen. "Sie lernen voneinander, experimentieren, geben untereinander Impulse", ist der Popularmusik-Beauftragte des Bezirks Unterfranken, Peter Näder, überzeugt. "Man muss nur den Flow haben, sich etwas entwickeln zu lassen", sagte Näder, der auf positive Erfahrungen aus den ersten beiden Kursen verweist. Besagter "Flow" scheint um sich zu greifen und nach Näders Dafürhalten den Nerv von immer mehr Musiker zu treffen. "Grenzüberschreiter sind durchaus keine Seltenheit mehr", unterstreicht er. "Aus verschiedenen Mustern der Volks-, Pop- und Rockmusik und der Klassik bieten sich auch verschiedene Ansätze zur Zusammenarbeit", ist auch Franz-Josef Schramm vom Landesverband für Heimatpflege überzeugt. Der Landesverband unterstützt - mit der Musikakademie, dem Tonkünstlerverband, den der Landes-Vizevorsitzende Steffen Zeller vertritt, und dem Bezirk Unterfranken - das Seminar, das Schramm als "Weltmusik" sieht.

Es gibt keine Vorgaben

Es geht nicht um den Erfolg und nicht darum, zwanghaft eine Variante des Volksrock zu kreieren. Es gibt kein festes Management, keine Vorgaben oder einen "Band-Leitwolf". "Wir sind eine demokratische Gruppe, die durch Inspiration, Kreativität - - und natürlich auch der nötigen Kompromissbereitschaft - Neues schaffen will", so der einhellige Tenor. Der Hammelburger Mundartsänger Konrad Albert begrüßt solche Initiativen. "Ich habe mich mit Heimatsongs eingebracht, und das hat prima geklappt. Peter Näder und ich haben ein Lied mit neuem Text und eine Melodie zusammengestellt", erklärt er stolz, und "Eugenie" - der Bänkel-Song auf die Tante aus "Schlimpfich" - fand den ungeteilten Applaus des Publikums.
Ebenso der "Gollwich", ein Wiesenbächlein namens Goldbach, der - im Hilly-Billy-Sound intoniert - einigen ESC-Songs locker das Wasser hätte reichen können. Außerdem war der Heimatbarde "mal aus der Stadt heraus und ganz unter Musikern", wie Albert bekennt.
Doch es gibt noch mehr, das in Erstaunen versetzt - aber auch Erinnerungen weckt. "Don't walk behind me", eine Gesangskreation mit Martina Shana Haider, die - meditativ - das grandiose Album "666" von "Aphrodite's Child" ins Gedächtnis zurückholt. "In Your Arms", eine Liebesballade, bei der Ralph Stövesand die singende Säge mit dem Jazzbesen begleitet oder das sphärische "Pentar", das den Zuhörer in die Atmosphäre eines fernöstlichen Tempels versetzt, sind weitere Beispiele für gelungene Kreationen.
"Ein klein wild Vögelein", ein Volkslied in neuem Arrangement, das Shana Haider eindrucksvoll vokal inszenierte, ähnelt zwar der Mittelalter-Minne, wurde aber damals sicher nicht von der Sitar begleitet, die Michael Hilbel beherrscht. Die Guzheng, die chinesische Wölbbrett-Zither, ist Sache von Martin Tomaschewski, dem Hammelburger, der mit Stadtbaumeister Detlef Mohr in der Formation "Tamara Projekt" auftritt und das Seminar als "innovative Weiterentwicklung" sieht. Für ein optisches Highlight sorgte als "special guest" die einheimische Orienttanz-Trainerin Christiane Aul im fantasievollen Bauchtanz-Outfit zu "Alla Turca". Das - großenteils fachlich beschlagene - Publikum bestätigte mit seinem Applaus das überaus gelungene Experiment, das allerdings nicht ganz neu ist. Schon Anfang der 70er Jahre legte der Ausnahmemusiker Mike Oldfield Ähnliches mit seinem Album "Tubular Bells" auf, in dem er Elemente des Jazz, der Klassik, des Rock und des Blues miteinander verwebte und damit beste Kritiken erntete.
Die Idee, der auch Bands wie Pink Floyd, Deep Purple, Thrice Mice oder Beggars Opera folgten, wieder aufzugreifen, ist wahrhaftig nicht die schlechteste. Sie könnte als Adaption verschiedener Musik-Genres eine durchaus fruchtbare Kooperation bewirken und tatsächlich zur "Weltmusik" avancieren.