Müller, Landwirt und manchmal Mönch
Autor: Dieter Britz
Münnerstadt, Montag, 23. Oktober 2017
Lindhorst Gehring berichtete aus seinem Leben. Von 1966 bis 1992 betrieb er die elterliche Spitalmühle.
Lindhorst Gehring ist ein Multitalent: Er ist Müllermeister,
Landwirtschaftsmeister und auch Mönch. Letzteres allerdings nur drei
Sonntage im Jahr beim Heimatspiel. Seit nunmehr 39 Jahren bringt er im
Gewand eines Zisterziensermönchs die Heiltümer aus dem Kloster Maria
Bildhausen in die Stadt, um sie vor den heranrückenden Schweden in
Sicherheit zu bringen. Baldur Kolb konnte ihn für das Erzählcafé im
Seniorenzentrum Sankt Elisabeth gewinnen. "Mühlenromantik ade - das Wandern
ist des Müllers Lust (gewesen)", lautete Gehrings Thema. Es sei schwer zu
vermitteln, welche Aufgabe ein Müller hat, meinte Kolb und "es ist schade,
dass die Mühlenromantik verloren gegangen ist." Er erinnerte daran, dass in
vielen Märchen Mühlen, Müller und schöne Müllerstöchter vorkommen. Es gebe
auch zahlreiche Lieder, in denen Mühlen besungen werden wie "es klappert
die Mühle am rauschenden Bach" oder "das Wandern ist des Müllers Lust."
Trotzdem habe die Jugend heute kaum noch Beziehungen zu Mühlen, "denn das
Mehl kommt aus Fabriken und nicht mehr vom Müller."
Lindhorst Gehring, Jahrgang 1941, erzählte zu Beginn, wie der Name Gehring
in Verbindung mit der Spitalmühle kam: Einer seiner Vorfahren wurde beim
Holz-Sägen ins Gatter gezogen und kam dabei ums Leben. Die Witwe, 23 Jahre
alt und mit drei Kindern, heiratete einen Müllermeister mit dem Namen
Gehring. Aus dieser Ehe gingen nochmals zwei Kinder hervor. Der junge
Lindhorst erlebte den zweiten Weltkrieg noch ganz bewusst mit und erinnert
sich noch daran, "wie die Flieger geschossen haben und wie bei uns die
Toten auf dem Hof lagen." Die Zeit nach dem Krieg war eine "gemütliche und
schöne Zeit, denn keiner hat etwas gehabt und es gab keinen Neid." Nach dem
Besuch der Volksschule in Münnerstadt ging er im Alter von 14 Jahren als
Müllerlehrling nach Hollstadt und war dort "Mädchen für alles." Stolz
ist er noch heute darauf, dass er als einziger schon als Lehrling die
Motorsäge bedienen durfte. Im ersten Lehrjahr gab es damals acht Mark im
Monat, im dritten Lehrjahr 15 Mark. Im Jahr 1966 übernahm er nach
Beendigung seiner Bundeswehrzeit die väterliche Mühle und betrieb sie bis
zum Jahr 1992.
Sehr ausführlich erläuterte Gehring, wie so eine Mühle eigentlich
funktioniert. Seine Mühle wurde wahrscheinlich im Jahr 1679 erbaut, ist
vielleicht aber auch älter. Die Energie, die gebraucht wird, um Mühlsteine
für das Mahlen von Getreide zu drehen oder um das Gatter zum Sägen von
Baumstämmen zu betreiben, gewann er aus dem Bach. Das große Mühlrad drehte
sich 25 Mal in der Minute, aber 220 Umdrehungen pro Minute waren für die
Arbeit erforderlich. Deshalb musste eine Übersetzung mit großen und kleinen
Rädern und Transmissionsriemen dazwischen geschaltet werden. "Solange ich
die Mühle betrieben habe, habe ich nie Strom gebraucht", hob er stolz hervor
und "wir sind Bach-Müller und haben nur das bisschen Wasser, das uns die
Lauer liefert. Für uns war um 5 Uhr morgens die Nacht rum." Um möglichst
viel mahlen und sägen zu können, musste die Mühle eben möglichst lange
laufen. Er kennt auch den genauen Zyklus, wann die Lauer viel oder wenig
Wasser führt. Wenn die Wasserwerke Wasser gepumpt haben, dann hat sich die
Lauer am Tag darauf gegen 14 Uhr erholt. Im Winter war immer genügend
Wasser da, im Sommer weniger. Während des Krieges lief die Mühle vom 1.
Januar bis zum 24. Dezember rund um die Uhr, jeden Tag und jede Nacht.
Gehrings Vater schimpfte gegen die Nazis und wurde deshalb auch mitgenommen
und verhört. Aber man brauchte seine Mühle und dort seine Arbeitskraft und
Kenntnisse, und deswegen wurde er wieder freigelassen.
Müller war in früheren Zeiten kein ehrbarer Beruf, erzählte Lindhorst
Gehring. Der Müller war kein Freier, er musste sich von seinem Fürsten ein
Lehen erwerben und lebte in seiner Mühle außerhalb der Stadtgrenzen. Zu
Zeiten der Hexenverbrennung war vielen Leuten die Arbeit der Müller
unheimlich, denn sie begriffen nicht, wie aus schwarzem Korn weißes Mehl
werden kann.
Das Wandern ist bekanntlich des Müllers Lust. Die jungen
Müller wanderten von Mühle zu Mühle und von Meister zu Meister, um so
ständig neue Kniffe und Tricks zu erfahren. Nur der Meister habe alles
gewusst und nicht einmal seinem Sohn alles weitergegeben, sonst wäre er
überflüssig geworden, so Gehring. Er erinnerte auch daran, dass der frühere
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und der Gründer und
Großaktionär der Rhön-Klinikum AG, Eugen Münch, von Haus aus Müllermeister
beziehungsweise Müller sind.