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Mit 85 immer noch am Ball


Autor: Arkadius Guzy

Hammelburg, Dienstag, 28. Juli 2015

Erich "Enrico" "Granaten-Ede" Schneider ist ein Hammelburger Original. Als Reporter genießt er einen legendären Ruf. Schneider hat aber nicht nur Pionierarbeit für die Sportberichterstattung geleistet.
Erich Schneider ist für so manchen Spaß zu haben, wie für dieses Foto in der Vereinssporthalle. Foto: Arkadius Guzy


"Hammelburg? Da kenne ich den Erich Schneider", lautet es bei Begegnungen jenseits der Stadtgrenzen. "Hammelburg? Gibt's noch den Erich Schneider?" Ja, ihn gibt's noch - und wie: Das Hammelburger Original feiert am Mittwoch, 29. Juli, seinen 85. Geburtstag.
Der Sport hat Erich Schneider in der Region bekannt gemacht, und er machte den Sport in der Region bekannt. Schneider war Rechtsaußen beim Westheimer Fußballverein. "Als Spieler haben wir zwei Mark und eine Bratwurst bekommen", erzählt er. 1963 wechselte er zum Hammelburger FC, gründete die Altherren-Abteilung und war stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Anfang der 1970er Jahre regte Schneider die Bildung einer Frauenfußballmannschaft an. Vor allem aber schreibt er als freier Mitarbeiter seit Jahrzehnten unermüdlich für den Lokalsport.
Den ersten Bericht, mit dem alles anfing, verfasste er 1966 für die Bundeswehr. In die trat Schneider 1956 als einer der ersten Soldaten ein. Als er zum Grenadierlehrbataillon nach Hammelburg kam, hatte er bereits eine regelrechte Odyssee quer durch Deutschland hinter sich.
Schneider wurde 1930 in Cottbus geboren. Nach dem Angriff auf Dresden wurde die Familie im Zweiten Weltkrieg nach Nienburg in Niedersachsen evakuiert. Sie lebte zwei Jahre bei Bauern, danach kehrte sie zurück. Schneider arbeitete später im Erzbergwerk Aue. "Von dort bin ich mit einem Kumpel getürmt." Wieder landete er bei einem Landwirt in Niedersachsen. Schneider zog nach einiger Zeit ins Ruhrgebiet, war dort unter Tage beschäftigt und verdiente sich als Kulissenschieber zusätzlich etwas dazu, bevor er sich für die Bundeswehr meldete.

Stimmgewaltig

Die Kameraden und "Kämpfertypen" des 1961er-Offizierslehrgangs haben Ausbilder Schneider als "Granaten-Ede" in Erinnerung behalten. "Damals hatten wir keine Knallkörper, deshalb rief ich bei der Ausbildung nur: Granate! Alle flüchteten sich sogleich nach links und rechts", erklärt Schneider. Seine Stimmgewalt hat bis heute nicht nachgelassen. Schneider sagt über sich selbst: "Ich war immer derjenige mit der größten Schnauze."
Nicht ohne Grund moderierte er im Laufe der Jahre zahlreiche Veranstaltungen, nicht nur das von ihm und Edgar Hirt 1965 erfundene FC-Weinfest. Schneider weiß einfach bei jeder Feier oder Zusammenkunft die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wenn er in Fahrt kommt und zu erzählen beginnt, dreht er den Oberkörper nach links und rechts, täuscht an und verwandelt die Pointe. So dribbelt Schneider über das Spielfeld seiner Geschichten, während das Publikum nicht anders kann als zuzuhören.

Gefragter Reporter

Viel von diesem Temperament klingt auch in seinen Texten an. Nach den ersten Berichten für die Bundeswehr dehnte Schneider seine Schreibtätigkeit auf den Verein aus. Ankündigungen und "kleine Einspalter" über das lokale Sportgeschehen folgten. Das zog schnell weitere Kreise: Immer mehr Sportler wollten sich in der Zeitung wiederfinden und verlangten nach Schneider. Mit der Schreibmaschine bahnte er dem Sport den Weg zu einem eigenständigen Ressort - immer im Zwei-Finger-System. "Richtig los ging es dann 1972 mit der Gebietsreform. Die Sportberichterstattung der Zeitung bezog ab da den kompletten Großlandkreis ein", erklärt Schneider.
Nur kurz danach, im Jahr 1974, hätte die Reportertätigkeit fast ein Ende gefunden: Schneider wurde an das Heeresamt in Köln versetzt, damals ein Politikum, wie er sagt. Schneider fand Wege und Mittel, seine Berichte auch von Köln aus der Zeitung zu übermitteln. Und an den Wochenenden war er immer zurück im Landkreis und dort anzutreffen, wo sich der Sport abspielte - oder in Bad Kissingen, wo er seine Artikel tippte. So ging es über die spätere Versetzung nach Aschaffenburg hinaus bis 1983, als der Stabsfeldwebel pensioniert wurde.
"Ich bekam damals ein Angebot für eine Festanstellung bei der Zeitung, aber ich wollte meine Unabhängigkeit behalten", sagt Schneider. Er blieb freier Mitarbeiter. Das Schreibpensum und der Umfang der Berichterstattung war groß. Schneider meint dazu nur: "Wir haben reingehauen." Seine Frau Renate, seine "Medi", die 2013 starb, half ihm. Sie fragte Ergebnisse per Telefon ab und chauffierte ihren Mann, der nie ein Auto besaß. Den journalistischen Einsatz für den Sport würdigen zahlreiche Auszeichnungen. Schneider bekam den Sportlerehrenbrief der Stadt Hammelburg und als erster Sportberichterstatter in der Geschichte des Landkreises im Jahr 1986 eine Anerkennung vom damaligen Landrat Marko Dyga. Ehrungen der Sportverbände folgten.
Bis heute schreibt Schneider für die Zeitung, auch wenn bei Weitem nicht mehr so viel wie einst. Der Erich schaut täglich in der Hammelburger Redaktion vorbei, sei es auch nur für einige Minuten, um die Termine der "Alt- und Jungsenioren" durchzugeben.
Redakteure wechseln, die Technik ändert sich laufend - nur Erich Schneider bleibt eine beständige Größe im Hammelburger Lokaljournalismus.