Liebeserklärung an die "Stood"

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Norbert Schneider und Tochter Sylvia aus "Öuwerirdl" mit dem Lied "Fridolin". Foto: Winfried Ehling
Norbert Schneider und Tochter Sylvia aus "Öuwerirdl" mit dem Lied "Fridolin".  Foto: Winfried Ehling

Moderator Ernst Stross und Bibliotheksleiterin Karin Wengerter wählten diesmal die Mundart mit heimischen Zeitzeugen als Thema.

Die Zuhörerschar wächst beim Erzählschoppen "Erlebt & Erzählt". Moderator Ernst Stross und Bibliotheksleiterin Karin Wengerter wählten diesmal die Mundart mit heimischen Zeitzeugen als Thema - getreu dem Motto "Werden Erinnerungen nicht weitergegeben, gehen sie verloren".


Mundart auf dem Rückzug

Die Mundart in der Saalestadt und ihren Stadtteilen ist auf dem Rückzug und häufig nur noch in der Familie oder im Bekanntenkreis zu hören. Das verwundert. Denn Zuhörer bestätigten den regen Dialekt-Gebrauch zum Beispiel in Freiburg, in Aachen und im Süden, wo die Menschen stolz auf ihr Bayerisch sind. Selbst an Schulen und am Arbeitsplatz ist es dort gängige Praxis, zu reden, "wie einem der Schnabel gewachsen ist".
"Das Schöne am Dialekt sind seine Färbungen", befand Stross. "Früher ausgeprägter, verlieren sie sich mehr und mehr. Deshalb gilt es, das Selbstbewusstsein für die Mundart zu stärken", appellierte er. Wengerter pflichtete ihm bei, dass Mundart "kein verdorbenes Hochdeutsch ist, denn sie war lange vor diesem da. Sie schafft einen Bezug zum eigenen Dorf und dessen Menschen".
Um die Versionen zu demonstrieren, lud Stross Gäste aus Hammelburg und drei Stadtteilen ein. Brigitte Keidel und Franz Becker vertraten die Stood Hammelburch, Renate Kröckel und Erika Hengstermann Waste (Westheim), Markus Nöth und Norbert Schneider berichteten aus Öuwerirdl (Obererthal) und das Duo Werner Vorndran und Erich Weber aus Oaschi (Gauaschach).


Über das "Waddelich"

Wenn "Stoarn" aus Obererthal die Stadtbewohner besuchten, bekannt als "Waddelich" (die Wetterchen), nahmen sie den "Stood-Stecke" mit. Stoarn leitet sich vom Kirschenklau im Kloster Thulba ab, der Staren zugeschoben wurde, und der "Stecke" war der Spazierstock. Die Waddelich entlehnen sich vom schlechten Wetter, das meist aus Südwest über den Sodenberg und die Stadt in die Dörfer weiterzog. Nöth, der sein ganzes Heimatdorf mit Spitznamen kannte und Schneider sind Experten in Öuwerirdlerisch. "Gie amol naufn öwere Boude und hol ä Hawe Fasälich", meint: "Gehe auf den Dachboden und hole einen Topf Bohnen." Und wenn "der Mopper grunzt, bellt der Hund". Schneider und seine Tochter Sylvia intonierten auch das Lied vom "Fridolin", eine Mundart-Parodie auf die Stadt und ihre Umgebung, die fast jeder ältere Heimische kennt. Schneider steuerte zudem Verse aus dem Gedicht "Schüns Öuwerirdl" bei. Eine Liebeserklärung an die Stadt verlas Brigitte Keidel mit dem Gedicht "Mei Hammelburch". In Schweinfurt geboren, versteht sie längst die meisten Dialektversionen. Der aus dem Schoafhof stammende "Beckerles" Franz und sie kannten auch die im Volksmund gebräuchlichen Schimpfwörter wie "Schwellhäubl", "Brüllous", "Niäsdäucher" oder "Dollak".
Dass sich die "Stooderer" nicht immer grün waren mit den "Gänswürcher" (Westheimer) weiß man. Wie Renate Kröckel berichtete, war Dialekt an der Schule - insbesondere an weiterführenden Schulen - nicht gefragt. Kröckel, Mitglied bei der Theatergruppe "Kümmi-Damen", bestätigte allerdings, dass die Gruppe die Texte der Theaterstücke in Mundart umschreiben. Erika Hengstermann zeigte sich fit bei Familiennamen im Dorf und den Höfen in Waste.
"Oaschi" orientierte sich nach der Eingemeindung völlig nach Hammelburg, so Vorndran und Weber. In "die Stood hom mer eigekefft" und die Amtsgänge erledigt, erinnert sich Vorndran. Erich Weber wartete mit einigen Mundartversen auf aus dem Büchlein "Mach kee Pförz" und hatte damit die Lacher auf seiner Seite Die Integration Gauaschachs verlief zwar zunächst schleppend, ist aber inzwischen abgeschlossen, wobei "Oaschi" seinen Dialekt beibehielt.
Geplant ist eine zweite Veranstaltung mit Mundartsprechern aus weiteren Stadtteilen. "Vielleicht trägt das Thema dazu bei, jüngere Menschen wieder für den Dialekt zu begeistern", hoffen Stross und Wengerter.