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Lebensretter helfen bei Unfall mitten in Hammelburg


Autor: Ralf Ruppert

Hammelburg, Freitag, 03. April 2020

Marga Gerlach wird erst fast angefahren und rettet dann gemeinsam mit weiteren Ersthelfern dem bewusstlosen Autofahrer vermutlich das Leben. Mehrere glückliche Umstände erleichtern den Einsatz.
Marga Gerlach holte sofort den Defi in der VR-Bank und löste damit auch den Notruf aus.  Foto: Ralf Ruppert


Den 23. März werden Marga Gerlach und Kim Haenelt so schnell nicht vergessen: Die beiden Mitarbeiterinnen der VR-Bank waren gerade auf dem Weg zur Arbeit, als gegen 8 Uhr ein Autofahrer bewusstlos wurde und am Marktplatz verunglückte. "Er ist nur wenige Zentimeter an mir vorbeigefahren", berichtet Marga Gerlach, und: "Ich wäre fast auf der Haube drauf gewesen." Trotz des Schrecks habe sie gleich gemerkt, dass mit dem Fahrer etwas nicht stimmt: "Der Kopf hing auf einer Seite und er bewegte sich nicht." Dann ging alles ganz schnell.

Marga Gerlach war auf dem Gehweg in der Weihertor-Straße unterwegs. Nach dem Fast-Zusammenstoß fuhr das Auto einfach weiter, mähte den Vorwegweiser Frankens Saalestück und einen Begrenzungspoller um, beschädigte eine der Stufen zum Marktplatz und blieb dann zufällig auf einem der Stellplätze stehen. Marga Gerlach und die Auszubildende Kim Haenelt dicht hinter ihr rannten sofort zum Auto, bekamen es aber nicht auf. "Ich empfand es als das Belastendste in dieser Situation, dass wir an den Bewusstlosen nicht ran kamen", erzählt die Ersthelferin.

Hier kam Florian Müller ins Spiel: "Wir saßen gerade beim Frühstück, da haben wir den Knall auf der Straße gehört", erinnert sich der Winzer und aktive Feuerwehrmann. Gemeinsam mit seinem Vater Thomas Müller sei er sofort quer über den Marktplatz gerannt. Selbst der erfahrene Zugführer benötigte zwar einige Versuche, schlug aber schließlich die Scheibe des Fahrzeugs ein.

"Ich war froh, als Florian kam, weil ich gleich wusste, dass der das schafft", erzählt Marga Gerlach. Sie selbst sei sofort zum Defibrillator gerannt, der erst im Dezember im Durchgang der VR-Bank installiert wurde. Durch das Öffnen des Gehäuses wurde eine Direkt-Verbindung in die Integrierte Leitstelle aufgebaut. "Wir haben das zum Glück an dem Gerät geübt", berichtet die betriebliche Ersthelferin, die alle zwei Jahre ihre Kenntnisse in Erster Hilfe auffrischt. Als sie zurück an die Unfallstelle kam, seien bereits medizinische Fachangestellte einer benachbarten Praxis dort gewesen. Nur wenige Minuten später sei auch bereits der direkt neben dem Marktplatz untergebrachte Notarzt dazu gekommen.

"Der Mann hatte so viel Glück, da hat alles gepasst", freut sich Marga Gerlach. Die 55-Jährige sei sehr erleichtert gewesen, dass der Autofahrer nach einer halben Stunde wieder bei Bewusstsein war. Die 18-jährige Kim Haenelt dagegen konnte an dem Tag nicht mehr arbeiten: "Ich hatte das ständig im Kopf, deshalb musste ich dann heim gehen", erzählt sie.

Auf dem Weg der Besserung

Nach Angaben der Angehörigen hatte der 80-Jährige einen Herzinfarkt. Nach einer Operation musste er noch eine Woche auf der Intensivstation bleiben, am Montag wurde er auf die Normalstation verlegt, am Freitag ging es bereits zur Reha. Körperlich sei er wohlauf, der Kreislauf sei stabil, es gehe ihm den Umständen entsprechend. Der Bauhof hat am Marktplatz die Sachschäden in Höhe von rund 1900 Euro bereits behoben.

An eine Infektion mit dem Corona-Virus habe keiner der Ersthelfer gedacht. "Man funktioniert da einfach", beschreibt Marga Gerlach den Ablauf. "Da macht man sich erst einmal keine Gedanken wegen einer Infektion, obwohl ich als Feuerwehrmann natürlich immer vorsichtig bin", ergänzt Florian Müller, der sich auch sehr freute, als der Mann wieder selbst atmete.

"Die Erste Hilfe rettet die meisten Menschenleben", betont der Hammelburger Polizei-Chef Christian Pörtner und bedankte sich bereits persönlich bei den beiden VR-Bank-Mitarbeiterinnen. "Man muss sich mit dem Thema beschäftigen, damit man unter Stress handlungsfähig bleibt", verweist er auf die Notwendigkeit von Erste-Hilfe-Kursen. Wichtig sei auf alle Fälle immer, sich einen Überblick zu verschaffen und den Notruf über die 112 abzusetzen.

Mindestens fünf Defi-Einsätze

Dass der neue Defibrillator nach gerade einmal drei Monate so erfolgreich zum Einsatz kam, freut vor allem 2. Bürgermeister Reimar Glückler. Die CBB-Fraktion habe jahrelang für einen Defi gekämpft. In Hammelburg gebe es zwar schon mehrere, zum Beispiel im Gymnasium oder bei den Stadtwerken, aber eben nicht direkt in der Innenstadt und rund um die Uhr zugänglich. Als es im Dezember endlich so weit war, machte Glückler persönlich die Einweisung: Er ist seit rund 60 Jahren im Roten Kreuz aktiv, davon 50 Jahre als Ausbilder.

Installation und Betreuung des Defi übernimmt das Zentrum für Telemedizin (ZTM) in Bad Kissingen. "Aktuell sind in der Region Main-Rhön 53 Standorte über das ZTM umgesetzt worden", berichtet Projektmanager Thomas Schreiner. Diese und viele weitere Standorte sind in der Defi-App des Roten Kreuzes verzeichnet, über die auch Notrufe möglich sind. Ein Nebeneffekt sei, dass bei jeder Installation zwischen 30 und 60 Menschen eine Erste-Hilfe-Auffrischung erhalten. In der Region Main-Rhön seien alleine die vom ZTM betreuten Defis bereits mehr als fünf Mal zum Einsatz gekommen. Die schnelle Laien-Reanimation von Ersthelfern rette Leben, berichtet Schreiner, denn: "Bereits drei bis fünf Minuten nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand entwickeln sich irreversible Hirnschäden."

Auch die VR-Bank hilft mit, dass es mehr Defis gibt: Über Crowd-Funding-Projekte seien bereits elf Defibrillatoren aufgestellt worden, das Gerät im Ge bäude am Hammelburger Marktplatz sei gemeinsam mit der Stadt angeschafft worden. Aktuell läuft laut Helga Maurer von der Marketing-Abteilung eine Spendenaktion gemeinsam mit der Feuerwehr Thulba.