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Kunst mit allen Sinnen erleben


Autor: Werner Vogel

Hammelburg, Montag, 05. Juni 2017

Weit über 100 Teilnehmer waren bei der 2. Hammelburger Kunstnacht dabei. An vier Stationen bot sich auch die Möglichkeit, mit den Künstlern zu sprechen.
Ausstellung "Menschen" von Hilde Würtheim: Rothaariges Mädchen vor dem Roten Schloss.  Foto: Werner Vogel


Intensiver kann Kunst kaum erlebt werden: Eine milde Abendsonne lässt das Rote Schloss leuchten, von der Terrasse weitet sich der Blick über das Saaletal hinauf zum Schloss Saaleck, aus den Arkaden klingt Musik von Bob Dylan. Hochgestimmte Menschen flanieren an Kunstwerken vorbei, viele mit einem Glas Frankenwein in der Hand. Das Ambiente schließt die Herzen auf, die Betrachtung der figurativen Kunst wird zum Erlebnis, der Park zum Skulpturengarten.


Lebensgroße "Menschen"

Die lebensgroßen "Menschen" der Künstlerin Hilde Würtheim sitzen verteilt auf Bank, Stufe, Podest. In Gruppen, zu zweit, allein. Sie wirken zurückhaltend, dennoch freundlich. Jede einzelne Figur scheint natürlich, wird durch kleine Eigen- und Unvollkommenheiten zur individuellen Persönlichkeit, und es dauert nicht lange, da werden die "Mädchen" in die Mitte genommen, man setzt sich einfach daneben, die Besucher werden eins mit der Szenerie, werden Teil eines Gesamtkunstwerks.
Die Gruppe "Hammelburger Kunstvereint" hat einen Blick dafür, wie Kunst wirken kann, und Hilde Würtheim - die Würzburgerin ist übrigens in Hammelburg zur Schule gegangen - hätte kaum einen schöneren Platz für ihre bemalten Tonfiguren finden können.


Phantasien in Bilder umgesetzt

Dabei machte schon die erste Station der 2. Hammelburger Kunstnacht Staunen. Liebenswert harmlos scheint das Thema "Stille Post der Bilder", ungewöhnlich der Ort der Präsentation, das ehemalige Kaufhaus am Marktplatz - wo das "Light Duo" die Vernissage mit seiner Musik untermalt - und ganz außergewöhnlich ist die Vielfalt der Werke, die entstanden sind. Raffiniert ausgeklügelt, beginnt Marie-Ja Rosa Heckmann die "Stille Post" mit einem außergewöhnlichen Foto von Schaufensterpuppen in eher unansehnlicher Unterwäsche, das sie vieldeutig "Bloß gestellt? Bloßgestellt!". Ihr Bild interpretiert der nächste Künstler auf seine Weise, reicht sein Werk nach einer Woche weiter.


Überraschendes Spektrum

33 Wochen lang geht das so, und zur Vernissage können die Macherinnen von "Hammelburger Kunstvereint" - neben Marie-Ja Rosa Heckmann sind das noch Barbara Winter und Maria K. Rinecker - ein überraschendes Spektrum von Bildern und Collagen mit unterschiedlichsten Aussagen präsentieren. So abstrahiert beispielsweise Barbara Winter die Menschen, die sie im ihr übergebenen Bild erkennt, in ihrer Collage. Sie löst ihre Form auf und drückt mit Acryl und Leinwand in starker Farbigkeit die Verschiedenheit des Individuums aus.


Mauerfuchs und Muschelkalk

Jeder der Künstler sieht nur das ihm vom Vorgänger/in übergebene Bild. Maria K. Rinecker interpretiert dessen Aussage mit "Große Lippe riskieren" und fügt ihrer Collage Briefmarken als "Stille-Post"-Anklang hinzu. Erwin Full erkennt im Vorgängerbild einen Schmetterling. Er nennt seine Zeichnung "Mauerfuchs und Muschelkalk". Die Farbgebung unseres heimischen Muschelkalks ähnelt der des Schmetterlings, meint Full, und weil "Muschelkalk der Chronograph unserer Vergangenheit ist", zeichnet er dessen dezente Farbigkeit und filigrane Struktur, lässt die Saale sich durch das Bild winden und bildet die Aufschlüsse des Gesteins als Siedlungen entlang des Flusses ab. Gut sind Hammelburg, Pfaffenhausen, Fuchsstadt und Euerdorf zu erkennen.


Kind der 1300-Jahr-Feier

Bürgermeister Armin Warmuth nennt die Ausstellung "ein Kind der 1300-Jahr-Feier", freut sich über die Nachhaltigkeit, und weil "Kunst der Wein des Lebens ist" sieht er das Konzept der Kunstnacht als geradezu prädestiniert für Hammelburg.
Das "Schlendern zur Kunst" führt die Besucher vom Schloss zur Station "Nostalgie der Altstadt". Am alten Feuerwehrhaus präsentiert Konrad Albert seine Portraits und die Farbigkeit seiner Stadtbilder, und wenn der Allrounder unter Hammelburgs Künstler dann seine Gitarre auspackt und seine eigenen Lieder vorträgt, dann untermalt "Altbürgermeister" Ernst Stross die Melodie mit dem Tamburin, und schnell sammelt sich eine Gruppe beim "Konni", um zu schauen und zu hören.


Romantik im Rinecker-Haus

Auch als der Abend mild hereinbricht ist noch lange nicht Schluss. Endstation ist das Rinecker-Haus mit der Station "Historie-Kunst-Köstliches". Ausdrucksstarke Bilder sind im Haus platziert, im Hof werden "Kreative Köstlichkeiten" angeboten. Die romantischen Plätzchen und Ecken in Hof und Scheune sind längst besetzt, bei Hammelburger Wein lauscht man der mainfränkischen Landschaftslyrik der Gebrüder Schnack. Vom Leiterwagen herab unaufgeregt wirkungsvoll vorgetragen von Reiner Stein. Später macht Melvin Beck Musik, und der romantische Zauber des Hauses lässt die Besucher lange nicht nach Hause gehen.