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KfW-Förderstopp: Das sagen Hammelburger Energieberater


Autor: Ralf Ruppert

Hammelburg, Donnerstag, 24. Februar 2022

Auch wenn viele Bauherren wütend sind, war aus Sicht von Energieberater Tino Kickuth Habecks Förderstopp unausweichlich.
Ein altes Haus energetisch zu sanieren, ist aufwendig: Um historische Fenster zu erhalten, mussten in diesem Baudenkmal zusätzliche Fenster innen eingebaut werden. Auf dem Bild verkleidet Malermeister Tino Kickuth die frisch gedämmten Gauben.


Viel Kritik hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einstecken müssen für seine Entscheidung, Zuschüsse für energieeffizientes Bauen und Sanieren der KfW-Förderbank im Januar vorzeitig zu stoppen. Seit diesem Dienstag können Bürger wieder neue Zuschussanträge stellen - vorerst aber nur für energieeffizientes Sanieren. Zudem sagte das Ministerium zu, dass alle vor dem 24. Januar eingegangenen Anträge doch noch bearbeitet werden. Neben der Kritik von Bauherren und Energieberatern, gibt es auch Verständnis für Habecks Förder-Stopp: "Er hatte ja gar keine andere Möglichkeit", sagt etwa der Hammelburger Energieberater Tino Kickuth. Zudem müsse die bisherige Förderung von Ein-Familienhäusern aus seiner Sicht komplett auf den Prüfstand: "Die Rohstoffe werden immer knapper, statt neuer Gebäude wird die Sanierung des Bestands immer wichtiger."

Tino Kickuth ist gelernter Bauzeichner, allerdings hatte bereits sein Vater einen Malerbetrieb und er habe lieber praktisch arbeiten wollen. Also machte er sich 2005 selbstständig, spezialisierte sich auf Malerarbeiten und Renovierungen. Er legte die Prüfung zum Malermeister ab, mittlerweile hat der 43-Jährige eine Zusatzausbildung zum Energieberater. Auch zu ihm kamen im Dezember Bauherren, die noch eine Förderung ihres EH-55-Hauses sichern wollten. Die alte Bundesregierung hatte die Frist dafür bis Januar 2022 verlängert. Kickuth wollte das aber nicht mitmachen: "Zum Glück habe ich das nicht angenommen", ist er nach dem Chaos durch den Förderstopp froh. Aus seiner Sicht seien damals völlig falsche Erwartungen bei Bauherren geweckt worden.

"Ich finde es sinnvoll, dass drüber nachgedacht wird, den Neubau nicht mehr so hoch zu fördern", sagt Kickuth. Dass neue Wohnhäuser nur noch 55 Prozent des maximal möglichen Energieverbrauchs benötigen, sei längst Standard. "Die Bauherren sparen sich das Geld ja langfristig wieder ein", sagt Kickuth. Zudem sei es längst möglich, Wohnhäuser neu zu bauen, die unterm Strich überhaupt keine Energie mehr von außen benötigen. Aus Kickuths Sicht müssten stattdessen Sanierungen oder energiesparende Bauweisen wie Etagenwohnungen oder Reihenhäuser bezuschusst werden. Außerdem sollten Bauherren dazu angehalten werden, neue Gebäude flexibler zu bauen. "Viele neue Häuser mit innenliegenden Treppen werden schnell zu groß, wenn die Kinder aus dem Haus sind", nennt der Energieberater als Beispiel, und: "Die Energiekosten und der Unterhalt fressen die Eigentümer dann im Alter auf."

Nach Schätzungen der Bauwirtschaft sind nur etwa zehn Prozent des Gebäudebestands in Deutschland nach 1990 gebaut worden. Wegen der Bauoffensive der 50er und 60er Jahre zur Deckung des Wohnraumbedarfs sei die Altersklasse 1950 bis 1970 stark vertreten. "Alleine mit hocheffizienten Neubauten nach neuestem Stand wird es bei der aktuellen Neubau- und Modernisierungsquote von rund einem Prozent noch 100 Jahre dauern, bis der komplette Gebäudebestand auf heutige Standards angehoben ist", kritisierte etwa der Verband der Bauwirtschaft vor der Bauministerkonferenz von Bund und Ländern am Donnerstag. "Die nachträgliche Sanierung muss viel höher gefördert werden", sagt auch Tino Kickuth und nennt ein Beispiel: "Um nachträglich zu dämmen, muss man viele Arbeiten doppelt machen, also erst etwas wegnehmen und dann wieder aufbauen." Deshalb würden gerade bei Sanierungen oft relativ einfache Maßnahmen zur Energieeinsparung am Geld scheitern. "Da ist halt finanziell oft nicht mehr drin."

Dabei gebe es viele positive Beispiele: Tino Kickuth betreut derzeit zum Beispiel ein Projekt, bei dem eine junge Familie die Wohnung mit den Großeltern tauscht. Den Senioren sei das Haus zu groß geworden, die junge Familie investiere nun in die energetische Sanierung. Genau für solche Projekte sollte es mehr Förderung geben, weil es gleich mehrere positive Aspekte gebe: Innenorte werden belebt, bestehende Bausubstanz wird genutzt und ein weiterer Neubau auf der grünen Wiese sei überflüssig.

Große Herausforderungen im Bestand

"Für uns kam ein Neubau nie in Frage", sagt auch Christian Büchs, der mit seiner Frau Tatjana derzeit ein denkmalgeschütztes Haus in der Bahnhofstraße herrichtet. Wegen des Denkmalschutzes sind die Dämm-Möglichkeiten vor allem an der Fassade eingeschränkt. Die historischen Fenster wurden etwa ertüchtigt, indem innen zusätzliche Kastenfenster eingebaut wurden. Im Dachgeschoss waren die Felder zwischen den Balken mit Bimsstein ausgemauert, die mittlerweile durch Dämmwolle ersetzt sind. Als Einzelmaßnahme holte sich Familie Büchs für die Dämmung der obersten Geschossdecke einen Zuschuss der KfW. Ihre Heizenergie bezieht Familie Büchs als Fernwärme von den Hammelburger Stadtwerken.

Auch Energieberater Jürgen Bornkessel, der Habecks Förderstopp scharf kritisiert hatte (wir berichteten), sieht durchaus Handlungsbedarf. Zunächst ist er froh, dass mehrere von ihm eingereichte Anträge jetzt doch noch bearbeitet werden und es bei den Sanierungen weiter gehe. Aus seiner Sicht habe die alte Bundesregierung beim neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) einen wesentlichen Fehler gemacht: Früher seien die energetischen Anforderungen ständig angehoben worden, um die Weiterentwicklung der Baustoffe zu berücksichtigen. "Einfach ausgedrückt: Ein Effizienzhausstandard EH 55 ist heute im Neubau eigentlich Stand der Technik - wurde aber trotzdem gefördert", sagt Bornkessel. Deshalb steht für den Architekten fest: "Die Fördersätze sind aktuell zu hoch, wir müssen wieder dahin kommen, dass nur der Mehraufwand gefördert wird, um den gesetzlich vorgeschriebenen Standard wesentlich zu unterschreiten." Besonders unsinnig findet Bornkessel, dass bei Neubauten sogar Lösungen bezuschusst werden, für die fossile Brennstoffe verbrannt werden. Aus seiner Sicht sollten staatliche Zuschüsse nur noch fließen, wenn ein Gebäude ausschließlich mit regenerativen Energien auskommt. Bornkessel hofft, dass es bis Ende 2022 neue Richtlinien gibt.Mit dpa-Inhalten