Gespielt wird auf Zuruf
Autor: Björn Hein
Ramsthal, Donnerstag, 20. Juli 2017
Keine Theateraufführung im klassischen Sinn: "Ramsler Maulaffn" präsentierten im Rahmen der Kunstwoche in Ramsthal Impro-Theater.
Als Theaterbesucher freut man sich im Allgemeinen auf ein schön inszeniertes Stück, das durchaus auch einmal tragische Elemente enthalten darf. Wenn dann allerdings der Moderator (Holger Haug) sagt, dass es zu einer Verzögerung kommt, da das Drehbuch noch gesucht wird, wird man hellhörig. Der verzweifelte Ruf "Habt ihr es jetzt", wird mit einem vielstimmigen "Nö!" beantwortet, was doch stutzig macht. "Macht nichts, wir hatten sowieso weder Zeit noch Lust, die Texte zu lernen" - wenn dann diese Aussage vom Moderator kommt, so ist man doch höchst irritiert. "Dann improvisieren wir halt einfach. Wenn es Ihnen nicht gefallen hat, können Sie den Laden gern auseinandernehmen."
Auch Zuschauer gefordert
Spätestens, wenn man an diesem Punkt ist, dann weiß man, dass es sich nicht um eine Theateraufführung im klassischen Sinn handelt. Muss es aber auch nicht: die Truppe mit dem phantasievollen und ironischen Namen "Ramsler Maulaffn" präsentierten im Rahmen der Kunstwoche in Ramsthal Improtheater vom Feinsten. Und dass sich dabei nicht nur die Schauspieler vorstellen, sondern auch die Zuschauer unisono ihren Namen und Wohnort rufen müssen, ist dann schon fast etwas ganz "Normales". Man ging im Haus Erlebenskunst, wo die Aufführung stattfand, auch gleich in die Vollen. So konnten die Zuschauer sich eine Maschine ausdenken, die schon dringend einmal hätte erfunden werden müssen. "Bratwurstzwickmaschine" stand ganz oben auf der Liste dessen, was der Menschheit noch fehlt. Die sieben Schauspieler eilten wie auf Befehl auf die Bühne und stellten dieses Wunderwerk menschlicher Erfindungskunst auch gleich pantomimisch dar, was für viel Erheiterung sorgte.
Überhaupt wurden an diesem Abend sehr viele Genres des Impro-Theaters vorgestellt, und das in rasantem Wechsel. Beim anschließenden "Freeze Tag" ging es beispielsweise darum, eine kurze Szene, die die Zuschauer vorgaben, zu spielen. Nach einiger Zeit riefen die nicht beteiligten Schauspieler "Freeze!", wobei die Szene eingefroren wurde und ein Spieler ausgetauscht wurde. Der Nachfolger übernahm dann genau dessen Haltung, agierte jedoch in einer neuen Szene in völlig verändertem Kontext. Es war für die Zuschauer reizvoll zu sehen, wie die Darsteller die Körperstellung detailgenau kopierten und dann virtuos sich in die neue Handlung einfühlten. Rasant ging es von Szene zu Szene und die Zuschauer hatten ob der kreativen Ideen auf der Bühne sehr viel Spaß, was sich am großen Applaus zeigte.
Geradezu blutrünstig wurde es beim Spiel "Tod in einer Minute". Pauline Feichtinger und Günther Gößmann-Schmitt erhielten den Auftrag, Tochter und Vater zu spielen, wobei erstere ob ihres geringen Taschengeldes so wütend wird, dass sie ihren Vater erwürgt.
Darsteller spielen sich Ball zu
Dass die Liebe als Thema auf der Bühne unverzichtbar ist, zeigte sich beim Improstück "Blind-Date". Luisa Hämel spielte dabei auf Zuschauerwunsch die "lispelnde Lisbeth", die "hinner der Wurschttheke schafft" und für die der Himmel nicht voller Geigen, sondern "voller Wurscht" hängt. Sie traf dabei auf ihren Traummann, einen 70-jährigen Rentner (gespielt von Timo Frank), welcher in seinem früheren Leben als Bestatter arbeitete. Dabei verliebte sie sich in seine Ticks, wie dem sexy Schulterzucken oder der "süßen" Angewohnheit, dauernd in der Nase zu popeln. Die beiden Protagonisten spielten sich geschickt den Ball zu und liefen zur Hochform auf. Dabei wurde auch die spöttelnde Anarchie deutlich, die das Impro-Theater so reizvoll macht, ebenso wie das Spielen mit Charakteren.
Fantasiesprache
Die Spielsprache "Gromolo" kam dann in der nächsten Runde zum Einsatz. Auf Befehl mussten die Schauspieler von deutsch in diese Fantasiesprache wechseln, wobei sie in der Szene weiter agierten. Und so wurde es ein interessantes Zwiegespräch zwischen den beiden "Geschwistern" Günther Gößmann-Schmitt und Katrin Schmitt, die die dargestellte Weinlese zu einem guten Ende brachten. Dass Tiere auch nur Menschen sind zeigte sich, als das Ehepaar Maus (Dominic Haut) und Stachelschwein (Helga Arnold) gemeinsam auf der Couch von Psychologen Timo Frank Platz nahmen und dabei tief in ihr Seelenleben blicken ließen, sehr zur Freude des Publikums. Dominic Haut und Kathrin Schmitt erhielten anschließend den Auftrag, ein altes Ehepaar in der Arztpraxis zu spielen, was sie zum großen Vergnügen des Publikums auch gekonnt taten. Weitere Spielarten des ImproTheaters schlossen sich an, die Schauspieler agierten dabei völlig natürlich und ohne Aufregung. Es war einfach Klasse zu sehen, wie leichtfüßig sie von Rolle zu Rolle sprangen und welch kreative Ideen sie in den Stücken verwirklichten. Dem Publikum hat das Impro-Theater sichtlich gut gefallen, wie der große Applaus und die "Zugabe"-Rufe am Ende der Veranstaltung zeigten.
"Uns hat es heute einfach sehr viel Spaß gemacht", so Katrin Schmitt, die Leiterin des Ensembles "Ramsler Maulaffn" nach der überaus gelungenen Aufführung. "Mitmachen kann jeder, der will. Man muss nur gerne auf der Bühne stehen und Spaß haben wollen", sagt Schmitt. Wichtig sei, dass man sich außerdem ganz auf das Stück einlässt. "Wenn man zu viel nachdenkt, ist das hinderlich. Wichtig ist es im Impro-Theater, neue Situationen zuzulassen und aus Instinkt zu handeln", beschreibt sie diese besondere Spielart des Theaters. Natürlich fällt dabei die Spontanität nicht vom Himmel, sondern sie muss geübt werden. Mit der Zeit werde man aber selbstsicherer. "Wenn man merkt, dass es dem Publikum gefällt, dann reißt es einen mit", weiß Schmitt aus Erfahrung. Doch auch wenn sie Impro-Theater schon seit vielen Jahren macht: "Aufgeregt ist man vor dem Auftritt immer, etwas Lampenfieber gehört einfach dazu."