Erinnerungen an vergessenen Krieg
Autor: Ralf Ruppert
Hammelburg, Mittwoch, 18. August 2021
1969 legte er in Hammelburg sein Abitur ab, seit 40 Jahren lebt er in der Schweiz: Franz Heil (72) hat viele Daten und Namen zum deutsch-französischen Krieg zusammengetragen. Vor 150 Jahren wurden die Soldaten groß gefeiert.
Franz Heil ist ein Weltbürger: Er wurde 1948 in Hammelburg geboren, legte 1969 das Abitur im humanistischen Zweig des Hammelburger Gymnasiums ab, studierte danach in München Elektrotechnik und wohnt seit 1981 in der Schweiz. Für Asea Brown Boveri arbeitete und lebte Heil unter anderem in Indien, China und Vietnam. Trotzdem hat ihn seine Heimat und deren Geschichte nie los gelassen: Zur 1300-Jahr-Feier steuerte er einen Beitrag zum bayerisch-preußischen Krieg 1866 bei. In den vergangenen Jahren hat er sich intensiv mit den Auswirkungen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 auf Hammelburg beschäftigt.
"Ich bin in der Fuldaer Straße aufgewachsen, und auf dem Weg zu unserem Weinberg stand ein Denkmal an den Krieg 1866", erzählt Franz Heil. "Damit hat's angefangen", begründet er sein Interesse an Geschichte. Franz Heils Vater war Schneidermeister bei der Standortverwaltung und saß im Stadtrat. "Ich habe noch einen Bruder und eine Schwester in Hammelburg, und auch meine Frau hat Verwandtschaft dort", erzählt der 72-Jährige. Ein bis zwei Mal im Jahr fahre er nach Hammelburg, 2017 hielt er einen Vortrag bei den Freunden des Frobenius-Gymnasiums. Franz Heil ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und vier Enkel und lebt in Baden-Rütihof in der Schweiz.
Kein Ort der Erinnerung in Hammelburg
"Bei den Recherchen zum 1866er Krieg bin ich immer wieder auf Unterlagen zum deutsch-französischen Krieg gestoßen", sagt Franz Heil, und: "Beide hängen ja auch eng zusammen." Unter anderem habe sich das Königreich Bayern lange aus dem Krieg gegen Frankreich raushalten wollen. Als Nachwirkung des Krieges von Österreich und Bayern gegen Preußen habe es sogar Überlegungen gegeben, sich den Franzosen anzuschließen. Am Ende schlug sich das katholische Bayern aber dann doch auf die Seite der protestantischen Preußen.
Der Sieg von 1871 habe lange nachgewirkt, verweist Heil zum Beispiel auf die Einführung einer einheitlichen Währung in Deutschland und die Begründung der föderalen Strukturen. Nach 150 Jahren und zwei verlorenen Weltkriegen sei die Erinnerung an den Krieg 1870/71 weitgehend verblasst. In zahlreichen Orten würden höchstens noch Denkmale an die Verstorbenen erinnern.
In Hammelburg gebe es selbst das nicht mehr: "Das ist eine kuriose Geschichte", kommentiert der 85-jährige Heimatforscher Josef Kirchner das Verschwinden des Obelisken. Bis in die 1950er Jahre habe das Denkmal im Garten der alten evangelischen Kirche gestanden. Als das Bethaus angebaut wurde, sei es verschwunden. "Es gab verschiedene Vorschläge, wo es hin soll, zum Beispiel in den Friedhof. Aber am Ende ist es nie wieder aufgetaucht", erinnert sich Zeitzeuge Josef Kirchner.
Franz Heil hat nun in jahrelanger Arbeit Daten und Namen zum Krieg 1870/71 zusammengetragen: Herausgekommen ist der Aufsatz "Das Königliche Bezirksamt Hammelburg und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71". Auf 59 Seiten nennt er unter anderem die Namen von rund 400 Kriegsteilnehmern aus dem Altlandkreis. Insgesamt schätzt Heil die Zahl der Soldaten aus der Region sogar auf 700, allerdings seien viele Unterlagen verloren gegangen. Mit Hilfe der Angaben aus Gemeinden oder den Inschriften von Denkmälern zu Ehren der Gefallenen rekonstruierte Heil genau 397 Namen.
Feier der Stadt am 30. Juli 1871
Eine wichtige Quelle war dabei die Einladungsliste für eine große Feier, die vor fast genau 150 Jahren in Hammelburg stattfand: 80 Männer lud die Stadt für den 30. Juli 1871 zu einem Gottesdienst und einem Essen ins Rathaus ein. "Zur Feier der glücklichen Rückkehr aus dem ruhmvollen Feldzuge nach Frankreich werden nach benannte Beteiligte hiermit freundlichst eingeladen", schrieb Bürgermeister Johann Andreas Pfaff im Namen des Stadtmagistrats. Selbst König Ludwig II. schickte Grüße nach Hammelburg. Er sei "angenehm berührt", hieß es in einem Telegramm.