Energiewende Hammelburg: Wo sollen Solaranlagen hin?
Autor: Ralf Ruppert
Hammelburg, Mittwoch, 09. November 2022
Kommunen machen sich Gedanken über Standorte für Freiflächen-Photovoltaik. Was es dabei an Hürden und Erwartungen gibt.
Die Energiewende im Großen bedeutet viele Entscheidungen im Kleinen: Kommunen und Behörden müssen sich seit Jahren mit dem Bau neuer Leitungen wie dem Südlink und Standorten für erneuerbare Energien beschäftigen. Die Stadt Hammelburg erzeugt im Jahresmittel bereits mehr Strom vor Ort als benötigt wird: Laut dem Bayernwerk-Energiemonitor für die Stadt wurde der Verbrauch in den zurückliegenden zwölf Monaten zu 107 Prozent gedeckt. Den Löwenanteil steuern die sechs Windräder im Stadtgebiet mit 23.042 Megawattstunden Einspeisung bei, das sind 51,3 Prozent des Verbrauchs. Die 595 Photovoltaikanlagen im Stadtgebiet mit einer installierten Maximalleistung von 17.044 Kilowatt haben insgesamt 8775 Megawattstunden Strom eingespeist. Bis jetzt sind das überwiegend kleinere Anlagen auf Dächern. Die Stadt geht jedoch davon aus, dass auch große Freiflächenanlagen kommen. Details soll ein Kriterienkatalog regeln.
"Bei aller Dringlichkeit soll das Heft des Handelns weiterhin bei der Stadt Hammelburg liegen", sagte Bürgermeister Armin Warmuth (CSU) in der jüngsten Sitzung des Stadtrates. Deshalb habe eine Arbeitsgruppe Grundsätze festgelegt: Zum einen sollen landwirtschaftliche Flächen mit einer hohen Bonität geschützt werden. Eine Ausnahme könnte für sogenannte Agri-PV-Anlagen gelten, die Stromproduktion und landwirtschaftliche Nutzung gleichzeitig ermöglichen. Auch um die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erhöhen, soll auf regionale Wertschöpfung geachtet werden. Konkret sieht der erste Entwurf eines Kriterienkatalogs vor, dass die Bürger bis zu 24,9 Prozent sowie Stadt oder Stadtwerke zu mindestens 25,2 Prozent an Projekt- und Betreibergesellschaften beteiligt werden müssen. Zudem soll der erzeugte Strom vorrangig regional verbraucht werden.
Jede Menge Ausschlusskriterien
Gabriele Jabeur-Holtman von der städtischen Bauverwaltung wies in der Sitzung darauf hin, dass die Summe aller Freiflächen-PV-Anlagen auf zwei Prozent des Stadtgebietes beschränkt werden soll. Das wären 258 Hektar. Sie stellte jedoch in der Beratung auch klar, dass nach aktuellem Stand eine solche Fläche niemals erreicht werde: Natur- und Landschaftsschutzgebiete, das Biosphärenreservat Rhön, Flora-Fauna-Habitat-Flächen, Wälder, Siedlungs- und Überschwemmungsgebiete sowie etliche weitere Grundstücke seien schließlich ausgenommen. Auch besonders ertragsfähige landwirtschaftliche Flächen werden ausgenommen. Als Grundlage dient die Acker- beziehungsweise Grünlandzahl der Bodenschätzung: Sie reicht von 1 bis 99, Flächen ab 55 aufwärts sollen nicht überbaut werden dürfen.
CBB-Stadtrat Alexander Stolz schlug vor, etliche Punkte des Kriterienkatalogs in verpflichtende Vorgaben umzuwandeln. Als Beispiele nannte er eine Rückbauverpflichtung mit Bankbürgschaft oder die Anbindung der Anlagen über Erdkabel ans Stromnetz. "Das sind für mich Grundvoraussetzungen", betonte Stolz. Zudem solle auch die regionale Wertschöpfung höher gewichtet werden als bisher, also ein Viertel der möglichen Gesamtpunktzahl.
Aufforderung an die Stadtwerke
CSU-Fraktionssprecher Martin Wende lobte den Vorstoß der Stadtverwaltung, das Thema proaktiv anzugehen. Er warnte einerseits vor einer zu hohen Beteiligungsquote für die öffentliche Hand, sprach sich aber gleichzeitig für eine Initiative der Stadtwerke aus, sich mögliche Flächen selbst zu sichern. "Dann hätten wir nämlich hundert Prozent Wertschöpfung vor Ort", sagte Wende. Stadtrat Stolz, gleichzeitig Mitglied im Aufsichtsrat der Stadtwerke, bremste allerdings die Erwartungen: "Die Stadtwerke verstehen sich vor allem als Stromversorger, nicht als -erzeuger", stellte er klar. Wenn die Stadt andere Erwartungen an ihre Tochtergesellschaft habe, müsse der Stadtrat einen klaren Auftrag aussprechen. Bürgermeister Armin Warmuth, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender bei den Stadtwerken, deutete an, dass es durchaus Überlegungen der Stadtwerke gebe, mehr PV-Anlagen zu bauen. Im Fokus stünden dabei allerdings Dachflächen im Stadtgebiet.
Gesetzliche Bestimmungen
CBB-Stadtrat Reimar Glückler warnte davor, die Hürden zu hoch zu legen. "Bei den ganzen Ausschlusskriterien werden wir am Ende null Flächen bekommen", befürchtet Glückler. Gabriele Jabeur-Holtman verwies allerdings darauf, dass es sich bei den meisten Verboten um gesetzliche Regelung handle. "Vielleicht gibt es Änderungen im Rahmen der Energiewende, aber das liegt nicht in unserer Hand", sagte auch Bürgermeister Armin Warmuth. Auf Antrag der Grünen-Stadträtin Monika Horcher soll die Verwaltung noch klären, ob in bestimmten Schutzgebieten zumindest Agri-PV-Anlagen möglich sein könnten.
Eine Bewertungsmatrix soll Investoren Hinweise an die Hand geben, welche Erwartungen die Stadt hat: Positiv wirkt sich demnach aus, wenn die Flächen sogar eine Acker-/Grünlandzahl unter 45 haben, der Investor das Projekt vorab visualisiert, großen Abstand zu Denkmälern hält, eine Hecke als Sichtschutz pflanzt oder auf den Flächen keine Pestizide einsetzt. Weil etliche Fragen offen blieben und Klimaschutzmanager Philipp Spitzner bei der Sitzung verhindert war, wurde das Thema vorerst zurückgestellt. Ein Beschluss soll aber möglichst bald nachgeholt werden.