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Das Theater tanzte


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Freitag, 01. Juli 2022

Das Konzert mit dem Live-Elektroniker Christian Löffler und dem "Detect Ensemble" sorgte für einige Überraschungen, doch anderen, als manche dachten.
Live-Elektroniker Christian Löffler und das "Detect Ensemble"


Um mal so zu beginnen: Es war ein Riesenerfolg, vor allem beim jüngeren Publikum: das zweite der beiden Wandelkonzerte mit dem Live-Elektroniker Christian Löffler und dem "Detect Ensemble", einem jungen Streichquartett (wer's gerade nicht weiß: "to detect" heißt "erkennen") im Kurtheater. Am Ende stand das halbe Theater und tanzte - nein, zum Tanzen war zu wenig Platz - und zuckte zwischen den Reihen im ewigen Rhythmus des Viervierteltaktes. Und der Guru ließ sich feiern. Endlich war man in der Disco angekommen. Allerdings hatten einige das Theater schon nach einer halben Stunde auch wieder verlassen. Sie sollen einige neidische Blicke geerntet haben. Warum sind die nur vorzeitig gegangen? Vielleicht hatten sie etwas anderes erwartet.

Denn angekündigt war ein Programm mit dem Titel "Parallels - Klassische Musik und Live-Elektronik verbinden sich zu einem Klangabenteuer der besonderen Art für alle Sinne". Da sollten drei Eigenkompositionen von Löffler mit Beethovens 3. und 6. Sinfonie und der Egmont-Ouvertüre sowie mit Smetanas "Má Vlást" - natürlich nur in Ausschnitten - kombiniert werden. Das las sich ja ganz spannend. Und die Spannung hielt an, als sich die vier Musiker im Halbdunkel auf ihre Podeste setzten, um mit dem Publikum den großen Guru zu erwarten und zu begrüßen. Der stellte sich dann hinter seinen Tisch mit den Steuerpulten, also sein Laboratorium (denn er veranstaltet ja Experimente), wie der Alfons Schuhbeck hinter seinen TV-Herd. Nur dass man bei ihm keine Töpfe und Chilisalzstreuer, sondern nur Kabel sieht. Und ohne einen Blick für sein Publikum beginnt er mit seinen Mixturen.

Das ist am Anfang schon spannend, weil man mit Geräuschen nicht berieselt, sondern überschüttet wird, weil man das Streichquartett beobachten kann, ohne wirklich zu wissen, wer für welche Geräusche verantwortlich ist, weil sie alle so verfremdet sind, und man versucht zu erkennen, was sie da eigentlich spielen. Und weil man ganz bewusst auf die Klassik wartet. Aber weitestgehend Fehlanzeige! Außer zwei kurzen Zitaten aus Beethovens Sechster und einem aus Smetanas "Moldau" nach den Stromschnellen ist absolut nichts zu identifizieren. Von einer Verbindung von Klassik und Elektronik auf Augenhöhe ist nichts zu hören. Und man beginnt zu warten, ob es vielleicht doch noch mal interessant wird.

Aber die Hoffnung verfliegt, als Löffler das Quartett in die ruhigeren Gefilde hinter der Bühne entlässt - die Leute brauchen ihr Gehör schließlich noch länger - und er allein aufdreht. Da wird dann schon mal die Schmerzgrenze überschritten. Wenn jemand einem aus den zehn Meter entfernten Boxen im Halbsekundenrhythmus mit einem Baseballschläger auf den Kopf haut, dass man es sogar zu spüren beginnt, dann ist das ein Verstoß gegen die TA Lärm (Bundesimmissionsschutzgesetz). Musik ist das jedenfalls nicht, denn die besteht nicht nur aus Rhythmus, sondern auch aus Melodie und Harmonie. Und da hatte Christian Löffler nichts Bleibendes zu bieten. Und man weiß ja auch nicht, was da alles schon vorproduziert ist. Vier Beats im ständigen Vierviertelrhythmus ist für eineinhalb Stunden ein bisschen wenig, und irgendwann kommt zu dem Ärger auch Langeweile. Aber halt! Es muss gut gewesen sein, sonst wären nicht so viele Leute zuckend von ihren Sitzen aufgesprungen. Und man erschrickt über die manipulative Kraft des Rhythmus.