Burkhard Hose zu Gast im Frobenius-Forum
Autor: Ralf Ruppert
Hammelburg, Montag, 17. Oktober 2016
Der Priester und Friedenspreis-Träger spricht an seiner alten Schule über seine Arbeit mit Geflüchteten, falsch verstandene Toleranz und sein neues Buch.
Eine christliche Botschaft der Nächstenliebe, zum Teil provozierende politische Forderungen, aber auch amüsante Anekdoten aus der täglichen Flüchtlingsarbeit brachte Burkhard Hose mit zurück an seine alte Schule: Auf Einladung des Vereins der Freunde des Hammelburger Gymnasiums sprach der katholische Hochschulpfarrer beim Frobenius-Forum auch über ethische Aspekte im Umgang mit "Geflüchteten". "Nächstenliebe kennt keine Obergrenze" lautet eine seiner Thesen. So ist auch eines der Kapitel seines Buches "Aufstehen für ein neues Wir!" überschrieben, das nur zwei Tage vor dem Vortrag in Hammelburg herauskam.
Politischer Wille ist wichtig
"Das war Zufall, der Termin hier steht ja schon ein Jahr lang fest", berichtete Schulleiter Helmut Schreiner.
Hose nutzte das Frobenius-Forum nicht als Werbe-Plattform, hatte auch nur ein einziges Buch in der Tasche, stattdessen stellte sich der 49-Jährige einer offenen Diskussion. "Haben wir in unserer Gesellschaft überhaupt die notwendige Zeit zur Integration", fragte etwa der frühere Sozialkunde-Lehrer Erwin Scheiner. "Vor der Machbarkeit steht immer ein politischer Wille", stellte Hose dieser Skepsis gegenüber. Deshalb habe er den bekannten Satz Merkels - "Wir schaffen das" - auch immer verstanden als "Wir wollen das."Hose gestand seinen Gesprächspartnern durchaus zu, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne, aber: "Es braucht legale Zugänge nach Europa, es ist unerträglich, dass die Grenzen dicht gemacht werden, und dann Menschen im Mittelmeer ertrinken oder an den EU-Außengrenzen unter unwürdigen Bedingungen leben." Deshalb gehöre zur christlichen Forderung nach Nächstenliebe auch die Diskussion über eine Umverteilung.
Unpopuläre Forderungen
"Ich weiß, dass ich mich damit unbeliebt mache", sagte Hose über seine Thesen. "Unser Wohlstand ist ja ein Stück weit auf dem Rücken der anderen entstanden", lautet eine davon. Die Verteilungsdiskussion dürfe aber nicht auf dem Rücken der Benachteiligten ausgetragen werden. Nicht die Armen müssten abgeben, sondern die Reichen. Das habe ihm zwar bereits den Vorwurf eingebracht, Kommunist zu sein, aber es sei vor allem eine christliche Position."Ich will keinem seine Ängste ausreden", stellte Burkhard Hose klar. Er könne auch keinem schlechte Erfahrungen mit Migranten absprechen. "Es braucht Zeit und Begegnung", sagt er über die Herausforderung der Integration. Das belegte er an vielen Beispielen, in denen Menschen aufeinander zugehen: "Ich setze auf die kurzen Momente, in denen sich etwas bewegt und etwas aufbricht." Allerdings warnte er auch davor, Flüchtlinge "fast schon heilig zu sprechen": "Das sind ganz normale Leute."
"Integration ist kein Sprint, sondern ein Marathon", sagt der 49-Jährige, dessen Vater am Gymnasium unterrichtete und auch zum Vortrag kam. Burkhard Hose berichtete auch von sehr persönlichen Kontakten. Im Buch ist etwa zu lesen, dass er seine Wohnung mit Syrern teilte, um ihnen eine Auszeit aus der Enge der Flüchtlingsheime zu ermöglichen.
"Politische Bewegung"
Hose übt aber auch Kritik: In der Vergangenheit sei vieles falsch gelaufen. "Die Flüchtlingsströme waren ja keine Überraschung", blickte er zurück. Trotzdem seien überall Stellen abgebaut worden.
Umso mehr habe ihn gefreut, dass sich etwa jeder zehnte Deutsche bei der Betreuung der Flüchtlinge engagiert habe. "Das ist doch eine unheimliche politische Bewegung. Ich würde mir wünschen, dass diese enorme Kraft wahr genommen wird."Beim Vergleich mit Russlanddeutschen mahnte Hose vor allem zu mehr Gelassenheit: Auch in der jüdischen Gemeinde Würzburg gebe es Einwanderer, die nach 20 Jahren noch nicht deutsch sprechen. "Eine Gesellschaft verträgt zu einem gewissen Teil Parallelgesellschaften", betonte Hose und war sich sicher, dass sich die folgende Generation ganz selbstverständlich integriere. Verheerend sei dabei, dass aktuell dezentrale Unterkünfte geschlossen werden und die Migranten in Gemeinschaftsunterkünften konzentriert werden. Das sei zwar verwaltungstechnisch leichter, aber erschwere die Identifikation der Einheimischen mit Geflüchteten. Dass die oft einfacher gelinge, als gedacht, belegte Hose an einer Anekdote: In einem kleinen Dorf sollte eine tschetschenische Familie nach einigen Jahren abgeschoben werden. Bei einer Bürgerversammlung meldete sich ein Nachbar und sagte: "Ich will nicht, dass die weg gehen, weil ich nicht will, dass da Fremde hinkommen."
Privat Burkhard Hose wurde 1967 geboren, wuchs in Hammelburg auf und machte 1986 sein Abitur im Frobenius-Gymnasium Hammelburg.
Beruf Theologie studierte er in Würzburg und Luzern. Bischof Paul-Werner Scheele weihte ihn am 29. Januar 1994 zum Priester. Als Kaplan wirkte Hose in Kirchlauter und in Kitzingen. 1997 wurde er zum Seelsorger für die Studierenden der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt ernannt. Er war unter anderem wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Biblische Einleitungswissenschaft, Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks Würzburg und Religionslehrer an der St.-Ursula-Schule. Seit 2008 wurde er zum Studentenpfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde in Würzburg ernannt.
Ehrenamt Hose ist Mitglied im Würzburger Ombudsrat sowie beratendes Mitglied im Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt. 2014 erhielt er den Friedenspreis der Stadt Würzburg.
Buch "Aufstehen für ein neues Wir!" erscheint im adeo-Verlag, umfasst 144 Seiten und kostet 14,99 Euro. Burkhard Hose stellt es am Donnerstag, 27. Oktober, um 20 Uhr in einer Lesung in Würzburg im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus (Wilhelm Schwinn-Platz 3) vor.