Bahnhofstraße Hammelburg: Kritik der Anwohner
Autor: Ralf Ruppert
Hammelburg, Dienstag, 12. Juli 2022
Seit Jahrzehnten wird diskutiert, seit zwei Jahren ist die Bahnhofstraße Baustelle. Kurz vor der Freigabe gibt es trotzdem immer noch kein neues Konzept für die Verkehrsführung. Warum die Anwohner sauer sind.
Dietmar Schreiner ist Hammelburger mit Leib und Seele. Das ehrenamtliche Engagement bei der TV/DJK ist Familientradition, sein Elternhaus an der Bahnhofstraße hegt und pflegt der Lebenshilfe-Produktionsleiter mit Hingabe. Die Liebe zur Heimatstadt hat aber Risse bekommen - im wahrsten Sinne des Wortes: Durch den Ausbau der Bahnhofstraße ist die stattliche Sandstein-Treppe vor dem Haus nach vorne gekippt, zur Hauswand klafft eine Lücke, der Putz bröckelt. Noch mehr Sorgen als die eigentliche Baustelle macht ihm aber die Zeit danach: "Dann wird hier wieder gerast", befürchtet Schreiner, und: "Sobald die Ampel auf grün schaltet, wird hier Gas gegeben, an Tempo 20 hält sich kein Mensch."
Gegen Sperrung der Kissinger Straße
Dietmar Schreiner wünscht sich deshalb eine Einbahnstraßenregelung in Richtung Marktplatz. Das passe auch besser zur neuen Straßenbreite: Vor seinem Haus wurde der Gehweg deutlich breiter, die ab dem früheren Torhaus asphaltierte Straße entsprechend schmaler. Eine Einbahnstraße stadteinwärts hat auch der Verein für Wirtschaft und Stadtmarketing (VWS) vorgeschlagen. Dessen Vorsitzender Sebastian Hose könnte sich einen Ringverkehr über die Rote-Kreuz- und die Bahnhofstraße vorstellen. "Wichtig ist, die Bahnhofstraße nicht isoliert zu betrachten", betont der Apotheker, spricht sich allerdings gegen ein erneutes Verkehrsgutachten aus. Die Stadt habe in den vergangenen Jahrzehnten genügend Geld für Gutachten ausgegeben. Strikter Widerstand kommt vom VWS gegen den Vorschlag des jüngsten Gutachtens, die innere Kissinger Straße komplett für Pkw zu sperren. "Dort haben wir noch einen vernünftigen Geschäftsbesatz", betont Hose.
"Macht die Bahnhofstraße endlich wieder auf - egal wie", appellierte Rita Schubert in der jüngsten Sitzung an die Stadträte. Schubert ist Inhaberin der Falken-Apotheke in der Bahnhofstraße. Die Baustelle ziehe sich bereits acht Monate länger hin als ursprünglich angekündigt. "Die Bahnhofstraße ist sehr, sehr ausgedünnt", verweist sie auf die Folgen für die Geschäfte dort.
Rita Schubert nahm kein Blatt vor den Mund: "Die Bürgerbeteiligung zur Bahnhofstraße war katastrophal", lautete eine Kritik. Aber nicht nur mit der Bauverwaltung, sondern auch mit dem Stadtrat ging sie hart ins Gericht: "Der Stadtrat hat mindestens vier Jahre lang geschlafen", lautete ihr Vorwurf. So lange sei es her, dass die Pläne zum Ausbau der Straße vorgestellt wurden, zudem werde seit zwei Jahren gebaut. Trotzdem stehe die Stadt jetzt ohne Verkehrskonzept für die Zeit nach der Öffnung da (siehe Bericht unten). Auch bei den Stellplätzen herrsche Chaos: "Früher hatten wir 25 Stellplätze, zwischenzeitlich waren es mal 18, aktuell stehen 23 im Konzept", sagte Schubert. Bisher habe ihr niemand sagen können, wie viele es tatsächlich werden. "Die Straße ist nicht länger oder breiter geworden", kritisierte sie die Planung.
Gegen Einbahnregelung
Direkte Kritik gab es in der Sitzung auch von Stefan Seufert, der sich in einer Bürgerinitiative für Verkehrssicherheit und -beruhigung einsetzt: "Ich habe gemerkt, dass viele die Fakten nicht kennen", sagte Seufert. Das habe auch der Bürger-Workshop zum Fahrradwege-Konzept gezeigt, an dem leider nur sehr wenige Stadträte überhaupt teilgenommen hätten. Außerdem habe die Stadt bisherige Verkehrsgutachten von der Homepage genommen. Seufert hofft, dass das Radwegekonzept, das spätestens im Frühjahr 2023 vorliegen soll, mit den Ergebnissen bisheriger Verkehrsgutachten "verschmolzen" werden soll. Zumindest in einem Gutachten werde übrigens von Einbahnstraßen strikt abgeraten: "Eine Einbahnregelung in der Bahnhofstraße würde noch mehr Verkehr in der Weihertorstraße bedeuten, das kann doch keiner wollen", sagte Seufert.
Regelung verlängert
Eine Stunde lang hat der Hammelburger Stadtrat über eine verkehrsrechtliche Anordnung für die Bahnhofstraße diskutiert, nach zwei abgelehnten Anträgen wurde am Ende die frühere Regelung verlängert: Wenn die Baustelle abgeschlossen ist, dürfen Autofahrer wieder in beide Richtungen und bis zu 20 Stundenkilometer schnell fahren. Immerhin rang sich das Gremium dazu durch, dass die Regelung überprüft werden soll, sobald das Radwege-Konzept auf dem Tisch liegt.
Mareike Ohmert von der Stadtverwaltung stellte das Konzept eines "verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs" vor. Laut Absprache mit der Polizei könne die Stadt das Tempo nicht weiter als auf 20 Stundenkilometer reduzieren. Ein verkehrsberuhigter Bereich sei nicht zulässig, weil Fahr- und Gehbereich zwar ein Niveau hätten, aber trotzdem durch Entwässerungsrinnen und die Gestaltung eindeutig getrennt seien.