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Auf den Spuren der Jesuiten


Autor: Redaktion.

Hammelburg, Dienstag, 12. August 2014

Der frühere Hammelburger Pfarrer Christian Müssig und sein Amtskollege Thomas Hermes fanden in Bolivien eine zweite Heimat.
Der aus Unterfranken stammende Pfarrer Thomas Hermes beim Taufen in seiner Wahlheimat Bolivien.  Fotos: Lothar Reichel (POW)


"Hier hat man eine Freiheit, die manche vielleicht gar nicht vertragen könnten oder wollten. Eine Freiheit, die mir aber ganz gut tut." Seit sechs Jahren lebt Pfarrer Thomas Hermes, nach einem kurzen Gastspiel in Deutschland, wieder in Bolivien. In Santa Cruz hat er im Jahr 2008 von seinem deutschen Vorgänger eine perfekt aufgebaute Pfarrei übernommen, mit einer modernen Kirche und einem komfortablen Pfarrhaus.
Eine Ahnung von der Freiheit, von der Hermes spricht, bekommen die Gäste aus Deutschland, als sie mit dem 56-Jährigen durch die Savannengebiete der Gran Chiquitania im Osten von Bolivien fahren. Viele Stunden durchqueren Missionsreferent Domkapitular Christoph Warmuth, Christiane Hetterich vom Referat Mission-Entwicklung-Frieden und Lothar Reichel, Leiter der Radioredaktion des Bistums Würzburg, weite Gras- und Flusslandschaften, die irgendwann in das Amazonasbecken übergehen. Der Missionar ist lässig und entspannt. Sichtbar genießt er die Freiheit.
Sehr weit draußen warten beeindruckende Zeugnisse der südamerikanischen Kolonialgeschichte auf die Besucher aus Deutschland: die "Misiones Jesuíticas de Chiquitos", auch "Jesuitenreduktionen" genannt. Die sechs vorbildlich renovierten Klosteranlagen mit kulturhistorisch einmaligen Kirchenbauten wurden in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco aufgenommen. Sie stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und gehörten zu einem groß angelegten Missionsprojekts des Jesuitenordens. Damals versuchten die Jesuiten in vielen Gegenden Südamerikas, die einheimische Bevölkerung zu christianisieren.
Die zerstreut lebenden Völker und Stämme wurden in diesen "Reduktionen", Siedlungen mit einheitlichen Strukturen, zusammengefasst. Das Experiment scheiterte letztlich daran, dass der spanischen Krone der "Jesuitenstaat" zu mächtig wurde. Der Orden wurde aus Südamerika vertrieben. Dieses spannende Kapitel wurde 1986 in dem Hollywoodfilm "The Mission" mit Robert de Niro und Jeremy Irons nochmals aufgeschlagen. Die Deutschen besuchen bei ihrem Ausflug die Anlagen von San Xavier und Concepción.

Zunächst Kaplan in Lohr

Mit Bolivien verbindet Pfarrer Hermes eine lange Geschichte. Bei einem rund einjährigen Gemeindepraktikum in den Anden von Bolivien sammelte er ab Dezember 1982 erste Eindrücke. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1985 wurde er zunächst Kaplan in Lohr. Bis ihn der bolivianische Bischof Edmundo Abastoflor, der selbst in Würzburg studiert hatte, ansprach: Ob er sich vorstellen könne, im Bistum Potosí als Priester zu arbeiten? Hermes sagte zu. 1990 ging er nach Uyuni am großen Salzsee im Hochland Boliviens und baute dort eine Pfarrei auf. 1994 kehrte er in das Bistum Würzburg zurück und wurde Pfarrer von Stockheim, Eußenhausen und Hendungen.
Doch Bolivien ließ ihn nicht mehr los. "In den vier Jahren dort hab' ich gemerkt, mich zwickt‘s doch wieder, die Mission lässt mich nicht los", erinnert er sich an die Zeit in Deutschland. 1998 kehrte Hermes nach Bolivien zurück, diesmal nach Potosí, eine Stadt in den Anden auf 4000 Metern Höhe. Sie war einst bekannt als die größte Silbermine des spanischen Kolonialreichs. Dort übernahm er eine Pfarrei, die seit mehr als 100 Jahren keinen Priester hatte.
Danach versuchte er noch einmal, in Würzburg heimisch zu werden: 2007 wurde er Spiritual im Priesterseminar. "Aber die Situation in Deutschland war dann doch eine andere", sagt er. "Schon in den ersten Wochen hab‘ ich gedacht: Wo bist du hier gelandet? Es ist eine andere Welt, die mir inzwischen völlig fremd ist. Und ich habe sofort gespürt: Ich wäre lieber wieder bei meinen Bolivianern." 2008 ging sein Wunsch in Erfüllung.

Müssig drei Jahre in Porongo

Auch Pfarrer Christian Müssig (50) zog es immer wieder nach Bolivien. Der gebürtige Würzburger studierte in Würzburg und Cochabamba Theologie. Nach seiner Priesterweihe 1990 arbeitete er zunächst als Kaplan in Garitz, Untersteinbach und Gerolzhofen.
Nach Stationen als Rektor des Jugendhauses Sankt Kilian in Miltenberg (ab 1994), Pfarrer im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld (ab 1999) und Leiter der Würzburger Pfarreiengemeinschaft Heidingsfeld (ab 2005) ließ er sich im Jahr 2007 erstmals zum Missionseinsatz in Bolivien freistellen.
Drei Jahre lebte und arbeitete er in Porongo, einer Gemeinde am Rand von Santa Cruz de la Sierra, der größten Stadt Boliviens. Dort betreute Müssig insgesamt 14 000 Katholiken. 2010 kehrte er nach Würzburg zurück und übernahm die Leitung der Pfarreiengemeinschaft "Sieben Sterne im Hammelburger Land". Lothar Reichel/pow

Im Sommer 2013 wurde er erneut für einen Missionseinsatz freigestellt, diesmal in der Erzdiözese Santa Cruz de la Sierra. Heute ist Müssig Pfarrer der Pfarrei Sagrada Familia. Hier muss er improvisieren: Der bisherige Pfarrer hat die Gemeinde gerade erst verlassen, das Pfarrhaus ist in keinem guten Zustand, die Zukunft des Kaplans ist ungewiss. Als Theologe und Seelsorger hat Müssig zwar klare Vorstellungen, doch die große Gemeinde in einem problematischen Viertel der Stadt stellt ihn vor Herausforderungen.